
Die Landwirtschaft steht vor einem fundamentalen Umbruch. Der zunehmende gesellschaftliche und politische Druck, chemische Pflanzenschutzmittel zu reduzieren, zwingt zu innovativen Lösungen, die sowohl ökologischen als auch ökonomischen Anforderungen gerecht werden. Dr. Jens Wester vom Laser Zentrum Hannover e. V. (LZH) berichtet über das sogenannte Laserweeding – ein seit mehreren Jahren praxistaugliches Verfahren zur nicht-chemischen Unkrautbekämpfung mittels Laserstrahlung.
Anders als mechanische oder chemische Verfahren ermöglicht die Laserbehandlung eine präzise, selektive Schädigung von Unkräutern, ohne den Boden zu stören oder chemische Rückstände zu hinterlassen. Die gezielte Applikation der Laserstrahlung auf das Meristem oder andere vitale Pflanzenteile unterbindet das Wachstum oder führt zum Absterben der Zielpflanze. Während frühe Projekte des LZH auf halbautomatisierte Anwendungen fokussiert waren, steht heute zunehmend die Integration in digitale und autonome Systeme im Mittelpunkt – inklusive eigener Entwicklung von KI-gestützter Bildverarbeitung und neuronalen Netzen zur Unkrauterkennung und Zielsteuerung.
In der Praxis gegen Kreuzkraut im Grünland schon in Einsatz
Mit dem Projekt GROW, das im Rahmen der EIP-Agri-Förderung durchgeführt wird, adressiert das LZH gezielt kleinere und mittlere Betriebe, die eine praxistaugliche Alternative zur händischen Unkrautbekämpfung für Jakobskreuzkraut im Grünland suchen. Herzstück des Vorhabens ist ein modulares, akkubetriebenes Laserwerkzeug, das speziell für die Integration in einen vollautonomen Roboter des hannoverschen Unternehmens permarobotics entwickelt wird. Dieser Roboter nutzt einen vorgeschalteten Drohnenüberflug, bei dem durch KI-gestützte Bildverarbeitung eine präzise Erkennung der Unkräuter auf der Fläche vorgenommen wird und daraus eine effektive, pflanzenspezifische Fahrroute generiert wird. Der Roboter kann so gezielt und effizient durch den Bestand navigieren und das Laserwerkzeug punktgenau einsetzen. Neben der Weiterentwicklung des Lasermoduls und des Behandlungsprozesses für mehrjährige Problemunkräuter liegt ein wesentlicher Fokus am LZH auf der Erstellung und dem Training neuronaler Netze für die Detektion und Klassifikation von Pflanzen – ein integraler Bestandteil der gesamten Systemarchitektur, der direkt am Institut konzipiert und umgesetzt wird.
Laser im Kampf gegen Wurzelunkräuter
Ein weiteres Projekt mit großer praktischer Relevanz ist STRALAMENSU, das sich den besonderen Herausforderungen von Wurzelunkräutern – z. B. vegetativ vermehrender Unkräuter – widmet. Gerade diese Unkrautarten stellen für empfindliche Reihenkulturen wie die Zuckerrübe ein massives Problem dar, da sie mit herkömmlichen Hack- oder Herbizidverfahren nur unzureichend zu bekämpfen sind. STRALAMENSU vergleicht klassische mechanische Verfahren und die laserbasierte Behandlung und behält dabei auch Kombinationsmöglichkeiten im Blick. Besonderes Augenmerk liegt seitens des Laser Zentrums auf der Integration neuartiger Strahlformungsprozesse, um eine effektivere und effizientere Laserbehandlung von Wurzelunkräutern zu erreichen.
Gleichzeitig werden von Verbundpartnern bildgestützte Mappingverfahren über Drohnen entwickelt, um Hotspots frühzeitig zu erkennen und selektiv zu behandeln – ein entscheidender Schritt in Richtung flächenspezifischer Präzisionslandwirtschaft.
Die Ernte schon im Blick
Ein Ausblick auf das Projekt ERNTE, das voraussichtlich ab Sommer 2025 beginnt, zeigt die zunehmende Nähe der Lasertechnologie zur breiten Praxis. Im Zentrum steht hier der Zwiebelanbau – eine Kultur, die besonders empfindlich gegenüber Konkurrenz durch Unkräuter ist und in der klassische mechanische Verfahren oft an Grenzen stoßen. Das Besondere: Im Gegensatz zu vielen anderen Forschungsansätzen setzt ERNTE nicht auf autonome Roboter, sondern auf klassische Schlepper als Trägerplattform. Auf diesen werden Lasermodule als Anbaugerät integriert, versorgt durch ein Aggregat in der Fronthydraulik. Der Fokus liegt klar auf der Praxistauglichkeit: Der Laser behandelt direkt in der Zwiebelreihe, wobei die 8 Reihen auf 4 Doppelreihen gelegt werden, während in den Zwischenreihen mechanische Verfahren, Bandspritzung oder Intercropping (z. B. mit Roggen) eingesetzt werden. Ziel ist ein chemiefreier, zugleich effizienter Zwiebelanbau – anpassbar auch an zukünftige autonome Standardschlepper.
Laserweeding ist längst kein Zukunftsszenario mehr, mehrere kommerzielle Anbieter bieten bereits Geräte auch für den deutschen Markt an. Das LZH unterstützt diese Entwicklung hin zu einem realen, praxisnahen und skalierbaren Werkzeug für den modernen Pflanzenbau mit zielführender Forschung und Entwicklung der Technologie und Methode besonders für die europäischen Hersteller und die landwirtschaftliche Praxis. Es verbindet ökologische Notwendigkeit mit technischer Innovation – und bietet einen konkreten Weg, wie Landwirtschaft auch ohne bzw. mit stark reduzierten chemischen Pflanzenschutzmitteln leistungsfähig und wettbewerbsfähig bleiben kann.
Die Zukunft – KI in der Landwirtschaft
Die Rolle des LZH geht in diesen Projekten längst über die reine Lasertechnik hinaus. Neben der Entwicklung und Evaluation der Strahlwerkzeuge und der kontinuierlichen Forschung und Entwicklung zur Verbesserung des Behandlungsprozesses liegt heute ein Schwerpunkt auf der eigenen Erstellung von neuronalen Netzen, Trainingsdaten und detektionsbasierten KI-Modellen. Diese werden konsequent für den robusten Feldeinsatz weiterentwickelt.
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Laserweeding bietet eine nicht-chemische Unkrautbekämpfung, die präzise und effektiv ist. Projekte wie GROW und STRALAMENSU zeigen die Vielseitigkeit dieser Technologie, die bereits in der Praxis eingesetzt wird. Weitere zukünftige Projekte für den Gemüsebau werden vorgestellt. Das LZH treibt nicht nur die Lasertechnologie voran, sondern entwickelt auch KI-Modelle für die Landwirtschaft. Die Zukunft liegt in innovativen, nachhaltigen Lösungen für einen wettbewerbsfähigen Pflanzenbau.