Wachstumsregler im Winterroggen: Was ist optimal?

Wachstumsregler im Winterroggen: Was ist optimal?

Der Einsatz von Wachstumsregulatoren (WR) im Winterroggen sorgt in jedem Jahr wieder für Diskussionen. Wann lohnt sich der Einsatz, welcher Zeitpunkt ist optimal? Michael Dunker stellt die Versuchsergebnisse der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vor.

An den jährlich angelegten Exaktversuchen sind die Bezirksstellen beteiligt, in deren Region der Roggenanbau eine wesentliche Rolle spielt. Dazu gehört die Bezirksstelle Uelzen. In 2021 wurden zwei identische Gemein-schafts­programme an den Standorten Wulfsode und Hamerstorf durchgeführt, deren Ergebnisse hier dargestellt und diskutiert werden.


Versuchsfrage

In diesem Versuch sollen unterschiedliche WR-Intensitäten gegenübergestellt werden. Das Versuchsjahr war geprägt durch ein relativ kaltes Frühjahr mit verhaltenem Wachstum bis Ende Mai. Die Variante 2 ist im Versuchszusammenhang langjähriger Standard und Vergleichsvariante. Bis zur Variante 5 nimmt die WR-Intensität zu. In den Varianten 6 bis 12 wird das relativ neue Produkt Prodax® einmal solo in zwei Intensitäten und in Kombination mit Cycocel® 720 getestet. Auch in diesen Varianten steigt die Intensität an (Tab. 1).


Wachstumsreglerversuch Winterroggen; Zum Vergrößern bitte anklicken
Wachstumsreglerversuch Winterroggen; Zum Vergrößern bitte anklicken


Auswertung

Michael Dunker
Michael Dunker

Alle Varianten haben zu einer Einkürzung der Wuchshöhe gegenüber der unbehandelten Kontrollparzelle geführt. Die Steigerung der Intensitäten führte tendenziell zu einer deutlicheren Einkürzung der Halmlänge. Anders ist es bei den Erträgen: Die beobachteten Schwankungen sind vordergründig keiner WR-Maßnahme zuzuordnen. Erklärbar werden diese Schwankungen jedoch durch die Tatsache, dass es in keinem der beiden Versuche zu vorzeitigem Lager kam, der Standort Wulfsode witterungsbedingt erst sehr spät beerntet werden konnte und die Ertragsunterschiede statistisch nicht signifikant sind. In den vergangenen Versuchsjahren wurden durch den Einsatz von WR signifikante Mehrerträge in den Versuchen generiert, in denen es aufgrund einer schwachen oder ungenügenden Einkürzungs- oder Stabilisierungsleistung zu vorzeitigem Lager gekommen ist. Mindererträge wurden dann beobachtet, wenn sehr stark eingekürzt wurde.


Entscheidungskette für den Einsatz von WR

Bei einer Entscheidung zum Einsatz von WR in Winterroggen sollte man verschiedene Faktoren berücksichtigen und sich erst am Ende der Entscheidungskette für ein konkretes Mittel und den Einsatztermin entscheiden.

I: Fläche

Die Gefahr von Lager steigt an:

  • auf Flächen der mittleren Bodengüte
  • auf Flächen mit mehrjährig organischer Düngung

II: Sorte

Die Züchtung stellt dem Markt immer kürzere und auch standfestere Sorten zur Verfügung. Bei weniger standfesten Sorten oder/und wüchsigen Bedingungen kann eine zweite Applikation sinnvoll sein. Des Weiteren reagieren Sorten unterschiedlich auf Wachstumsregler. Sorten mit gleicher Lageranfälligkeit können in derselben Situation sehr unterschiedlich auf WR reagieren. Dies ist in der Praxis häufig zu beobachten. Sorte A reagiert bereits z. B. stark auf eine Behandlung mit 0,5 l/ha Cycocel®, Sorte B aber hat eine andere Physiologie und reagiert trotz gleicher Lager­einstufung deutlich passiver. Hier müsste also eine Nachlage erfolgen oder von vorneherein eine andere Strategie gewählt werden. Leider sind gerade bei neuen Sorten solche Unterschiede noch nicht bekannt, daher kann die fachliche Praxis erst im 2. Jahr angepasst werden.


III: Einsatztermin

Beim richtigen Einsatztermin macht sich der Klimawandel bemerkbar. Noch bei unseren Vätern hieß es: „Anfang Mai muss sich eine Krähe im Roggen verstecken können“. Heutzutage kann es schon schwierig sein, am 1. Mai den Rehbock auf dem Roggenschlag waidgerecht ansprechen zu können. Denn die immer milderen Winter beschleunigen die Pflanzenentwicklung. Der Zeitpunkt des letzten Frostes im Jahr jedoch hat sich kaum verändert. Der aus Sicht des Entwicklungsstadiums optimale Einsatzzeitpunkt fällt also in eine Zeit, in der es häufig noch empfindlich kalt ist. Folglich wäre von einer WR-Maßnahme abzusehen, da es ansonsten zu Minderwirkung oder sogar zu Schädigungen kommen kann. Ein Versuch der Bezirksstelle Uelzen zeigte jedoch, dass ein einmaliges nächtliches Frostereignis (2017 minus 7 Grad, bei Plusgraden tagsüber) den Roggen nicht zwingend schädigen muss.

Zu berücksichtigen ist also vor allem das Entwicklungsstadium der Pflanzen. Der untere Halmbereich wird zu Beginn des Schossens gebildet und kann nur zu diesem Zeitpunkt beeinflusst werden. Daher hat sich das Entwicklungsstadium BBCH 31/32 (Ein- bis Zweiknotenstadium) als optimaler Termin für die erste Einkürzung herauskristallisiert.


IV: Intensität und Mittelwahl

Die Intensität und die Mittelwahl richten sich überwiegend nach der Sorte und der Nährstoffversorgung. Wüchsige Bedingungen während der Anwendung sind grundsätzlich positiv, aber nicht zwingend erforderlich. Bei Tageshöchsttemperaturen von über 10 °C ist mit den empfohlenen Produkten prinzipiell mit einer Einkürzung zu rechnen. Unter Umständen kann es notwendig werden, eine weitere Behandlung durchzuführen.


Schlussfolgerung

Die Notwendigkeit einer WR-Maßnahme kann leider mmer erst rückwirkend festgestellt werden. Mehr als 10 Versuchsjahre mit WR-Einsatz in den für den Roggen­anbau relevanten Regionen zeigen, dass immer wieder Lagerereignisse eintreten, die ohne WR-Einsatz zu signifikanten Mindererträgen führen. Aber ebenso häufig kommt es in den unbehandelten Varianten zu keinem Lager und demzufolge auch nicht zu Ertragsreduktionen. Der Einsatz von Wachstumsregulatoren ist also eine „Versicherungsmaßnahme“. In der Regel führen alle Maßnahmen zu einer Einkürzung des Halmes und somit zu dessen Stabilisierung. „Die eine Wachstumsreglerstrategie“ gibt es jedoch nicht, zu verschieden sind Standortbedingungen und die zukünftige Entwicklung des Getreides. So ist die Entscheidung, wann, wie viel und welches Produkt zur Wachstumsregulierung auf den Roggenflächen zum Einsatz kommt, von Jahr zu Jahr neu zu treffen.

Informationen zu den Standorten
HamerstorfWulfsode
  • Bodenart der 30 cm starken Krume: Sand
  • 27 BP (typischer Standort der Region)
  • mittlerer Jahresniederschlag: 680 mm
  • Nährstoffversorgung P, K, Mg in der
  • Bodenlösung: Gehaltsklasse C: (P: 4,8 mg/100 ml; K: 7,2 mg/100 ml; Mg: 2,6 mg/100 ml), pH-Wert: 5,7 (Gehaltsklasse D)
  • Nmin-Wert am 22.02.2021: 0 – 30 cm: 8 kg Nmin/ha; 30 – 60 cm: 6 kg Nmin/ha; 60 – 90 cm: 7 kg Nmin/ha
  • Vorfrucht Kartoffel,
  • Vorvorfrucht Zuckerrübe
  • Aussaat: nach einem Grubberstrich am 12.10.2020: 200 Kö/m².
  • anlehmiger Sand
  • 25 BP
  • mittlerer Jahresniederschlag:
    713 mm
  • P, K, Mg in der Bodenlösung: Gehaltsklasse B für P und K (P: 3,3 mg/100 ml; K: 7,5 mg/100 ml, pH-Wert: 5,7 (Gehaltsklasse C für Mg 3,5 mg/100 ml)
  • Nmin-Wert am 24.02.2021: 0 – 30 cm
  • 3 kg Nmin/ha; 30 – 60 cm 1 kg Nmin/ha; 60 –
  • 90 cm 1 kg Nmin/ha, gesamt 5 kg Nmin/ha, d. h. kaum pflanzen-verfügbarer Stickstoff
  • Vorfrucht Sommergerste,
  • Vorvorfrucht Kartoffel
  • Zur Aussaat wurde gepflügt,
    200 Kö/m²

Text: Michael Dunker |

Foto: Saaten-Union, Michael Dunker


Schnell gelesen (Kurzfassung):

In diesem Versuch sollen unterschiedliche WR-Intensitäten unterschiedlicher Präparate/Kombinationen gegenübergestellt werden.

Alle Versuchsvarianten mit Wachstumsregler führten zu einer signifikanten Einkürzung, die Steigerung der Intensitäten führte tendenziell zu einer deutlicheren Einkürzung der Halmlänge.


Entscheidungskette für den Einsatz von Wachstumsreglern

  • Standort
  • Sorte: Achtung, Sorten mit gleicher Bewertung bei Standfestigkeit reagieren oft sehr unterschiedlich auf WR-Maßnahmen.
  • Einsatztermin: Zu berücksichtigen ist vor allem das Entwicklungsstadium der Pflanzen. Der untere Halmbereich wird zu Beginn des Schossens gebildet und kann nur zu diesem Zeitpunkt beeinflusst werden. Daher hat sich das Entwicklungsstadium BBCH 31/32 (Ein- bis Zweiknotenstadium) als optimaler Termin für die erste Einkürzung herauskristallisiert.
  • Intensität und Mittelwahl: Die Intensität und die Mittelwahl richten sich überwiegend nach der Sorte und der Nährstoffversorgung.

Fazit: „Die eine“ Wachstumsreglerstrategie gibt es nicht. Der Einsatz von Wachstumsregulatoren ist vor allem als Sicherheitsmaßnahme zu sehen: In „Lagerjahren“ hoch wirtschaftlich, in Jahren ohne Lagergefahr hingegen nicht.