Blattläuse im Getreide: vielfältige Strategien der Regulation

Blattläuse gehören zu den unberechenbarsten Schädlingen, die sich bei günstigen Bedingungen explosionsartig vermehren können. Sie sind als Virusüberträger gefürchtet, können aber auch durch ihre Saugtätigkeit erheblichen Schaden anrichten. Es gibt viele Strategien, sie zu kontrollieren und unter der Schadgrenze zu halten. Professor Stefan Kühne vom Julius Kühn-Institut erläutert.

Marienkäfer auf der Jagd nach Blattläusen; Bild Kühne
Marienkäfer auf der Jagd nach Blattläusen; Bild Kühne
Die Grundlage für ihre oft explosionsartige Vermehrung ist die einzigartige Biologie der Pflanzensaftsauger. Die geflügelten Blattläuse wechseln im Frühjahr vom Winterwirt auf das Getreide, und durch die sogenannte Jungfernzeugung (Parthenogenese) beginnt eine beispiellose Vermehrungsrate. Es wird keine Zeit dafür verschwendet, männliche Partner zu finden, sich zu paaren oder erst Eier abzulegen. Nein – sofort werden lebend gebärend (Viviparie) kleine Blattläuse aus dem Hinterleib entlassen, die sofort mit ihren saugenden Mundwerkzeugen das Pflanzengewebe durchdringen und den zuckerhaltigen Phloemsaft aufnehmen. Schon innerhalb einer Woche ist die Jugendentwicklung abgeschlossen und die Tiere gebären weitere geflügelte und ungeflügelte Nachkommen. Erst im Herbst werden männliche und weibliche Geschlechtstiere gebildet, die zum Winterwirt fliegen, sich paaren und genetisch „aufgefrischte“ Wintereier ablegen, die mit ihrer harten Eihülle auch den kältesten Winter überstehen.


Prof. Dr. Dr. Kühne
Prof. Dr. Dr. Kühne
Drei Blattlausarten sind wirtschaftlich bedeutsam

Am häufigsten ist die Große Getreideblattlaus (Sitobion avenae), die hauptsächlich die Ähren oder Rispen des Getreides befällt. Sie vollzieht den gesamten Entwicklungszyklus an Gräsern und lebt im Sommer am Getreide und im Winter an Wildgräsern der Feld- und Wegraine. Die Haferlaus oder auch Traubenkirschenlaus (Rhopalosiphum padi) befällt vorzugsweise Blattspreiten und Blattscheiden. Sie gehört zu den wirtswechselnden Arten und lebt im Winter in Hecken und Waldrändern an der Traubenkirsche (Prunus padus). Aus diesem Grund sollte man auf Anpflanzungen dieses Strauches in Hecken verzichten. Auch die Bleiche Getreideblattlaus (Metopolophium dirhodum) ist wirtswechselnd und überwintert an Wildrosenarten der Hecken und Waldränder. Sie befällt im Wesentlichen die Blattspreiten und Blattscheiden.


Schadschwellen gegen Blattläuse anpassen

Insbesondere ein milder Herbst und der damit verbundene späte Wintereintritt fördert die Ausbreitung des Gelbverzwergungsvirus über Blattläuse. Eine Aussaat des Wintergetreides nach dem 25. September und die Beseitigung von Ausfallgetreide (Grüne Brücke), von dem häufig die Virusübertragung ausgeht, wirken der Blattlausvermehrung entgegen. Die Bekämpfungsschwelle liegt im Herbst niedriger als die im Sommer: 20 % mit Blattläusen befallene Pflanzen ab dem 2–3 Blattstadium des Getreides.

Sommergetreide sollte mit Blick auf die Blattläuse möglichst früh gedrillt werden. Im Sommer beeinträchtigen Getreideblattläuse durch ihre Saugtätigkeit die Kornausbildung und verursachen durch Honigtauausscheidungen die Ansiedlung von Schwärzepilzen. Diese führen allgemein zu einer Reduktion der Photosynthese. Deshalb gelten bis heute 3–5 Blattläuse/Ähre zum Ende der Blüte bzw. auch ein besetzter Ährenanteil von 60–80 % als bekämpfungswürdig. Bei einem hohen Nützlingsauftreten von 5 Marienkäfern pro m2 bzw. 10 Marienkäfer-, Schwebfliegen- oder Florfliegenlarven pro m2 gilt der höhere Schwellenwert. Heiße Witterungsperioden von über 30 °C wirken außerdem einer Blattlausvermehrung entgegen. Die Einschätzung der Nützlingsleistung und die Prognose der Temperaturentwicklung sollten wenn möglich in die Entscheidung pro/kontra Insektizid einfließen.


Stickstoff nicht überversorgen

Je besser eine Pflanze mit Stickstoff versorgt ist, desto besser vermehren sich die Blattsauger, denn Blattläuse haben einen hohen Bedarf an löslichen Stickstoffverbindungen. Die Pflanzen bilden durch eine N-Überversorgung weniger festes Zellwandgewebe aus, und die jungen Blattläuse können leichter das Pflanzengewebe mit ihren Mundwerkzeugen durchdringen. Hohe und ungeteilte Stickstoffgaben fördern also das Populationswachstum der Blattläuse besonders. Im Ökologischen Landbau trägt die Führung der Getreidebestände auf einem geringeren Nährstoffniveau deshalb dazu bei, dass Blattläuse hier kaum ein Schädlingsproblem darstellen.


Hummeln Platz schaffen durch z. B. Saumstrukturen oder Blühstreifen; Bild Sauer/Kühne
Hummeln Platz schaffen durch z. B. Saumstrukturen oder Blühstreifen; Bild Sauer/Kühne
Gratisleistung der Natur nutzen

Blattläuse sind Beute von einer Vielzahl von Raubinsekten wie z. B. Marienkäfern, Larven der Florfliegen und Schwebfliegen sowie einer Vielzahl von Schlupfwespen, die ihrer Massenentwicklung wirksam entgegentreten können. Diese Gratisleistung der Natur müssen wir zukünftig verstärkt nutzen und fördern, denn die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln wird zukünftig stärker begrenzt.

Einschränkungen bei Düngern, Herbiziden und Insektiziden werden in Deutschland zu einer Veränderung der konventionellen Landwirtschaft führen. Auch der biologische Pflanzenschutz wird in allen Pflanzenschutzkonzepten an Bedeutung gewinnen. Dieser Begriff umfasst neben der Anwendung natürlich vorkommender Bakterien, Pilze und Viren, Insekten, Milben und Nematoden auch die Nutzung von Pflanzenextrakten und die Stärkung der funktionellen Biodiversität. Letztere hat das Ziel, natürliche Gegenspieler von Schadorganismen zu fördern, insbesondere ihre Ansiedlung, Vermehrung und Überwinterung durch entsprechende Landschaftsstrukturen (Hecken und blütenreiche Säume). Mit der Anlage von Blühstreifen kann man die Blattlausgegenspieler aktiv fördern. Unterschiedlichste regionaltypische Blühmischungen für ein- und mehrjährige Ansaaten stehen zur Verfügung. Naturnahe Biotope bauen vielfältigere Nahrungsnetze auf, um die Biodiversität in der Agrarlandschaft zu erhöhen und die Ausbildung einseitiger Schädlingspopulationen zu behindern.

Schwalbenschwanz; Bild Kühne
Schwalbenschwanz; Bild Kühne
Informationen zur Bedeutung, Neuanlage und Pflege von Hecken und Rainen in der Agrarlandschaft findet man in der gleichnamigen Broschüre, des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft (BZL) zum Download (s. unten auch ISBN 978-3-8308-1337-8).


Fazit

Der Pflanzenschutz stellt die konventionellen Landwirte durch die Einschränkungen bei Herbiziden und Insektiziden vor große Herausforderungen. Die Umsetzung des gesetzlich verankerten integrierten Pflanzenschutzes ist die Voraussetzung für den Schutz von Gewässern und Grundwasser vor Einträgen von Pflanzenschutzmitteln und für die Förderung der Biodiversität. Wir müssen uns zukünftig von dem perfekten, unkrautfreien Getreideschlag verabschieden – das ist nicht mehr das Ideal ackerbaulicher Praxis! Unsere Nützlinge benötigen ein Mindestmaß an blühenden Ackerwildkräutern, um ihren Nutzen als Schädlingsvertilger im Bestand auszuspielen.

Die neue Düngeverordnung kann sicher an einigen Stellen als korrekturbedürftig angesehen werden – sie unterstützt jedoch die Entwicklung zu mehr Biodiversität. Ihre Umsetzung trägt nicht nur dazu bei, das Risiko der Nitrateinwaschung in das Grundwasser zu reduzieren, sondern z. B. auch Blattläuse und Mehltaupilze, die von hohen Stickstoffgehalten der Pflanze profitieren, in ihrer Entwicklung zu hemmen.


Schnell gelesen (Kurzfassung):

In der Biologie der Blattläuse und der enormen Vermehrungsgeschwindigkeit ist ihr Schadpotenzial begründet.

Die wichtigsten Gegenstrategien - neben einer gezielten chemischen Bekämpfung - sind: 

  • Wintergetreide nicht zu früh säen
  • Grüne Brücken (Ausfallgetreide) vermeiden
  • Keine Wirtspflanzen in Wegrainen und Knicks
  • Schadschwellen dem Nützlingsaufkommen anpassen, gründliche Bestandskontrollen durchführen
  • Hohe N-Gaben vermeiden
  • Nützlinge fördern (Blühstreifen, Saumstrukturen)
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