Je größer das Adaptionspotenzial einer Sorte an unterschiedlichste Umweltbedingungen, desto größer ist ihre Anbaubedeutung. Das gilt nicht nur für Europa, sondern auch für Länder wie Kanada. Paul Schmieja, internationaler Produktmanager für Hybridgetreide, berichtet über die enormen Herausforderungen, die in Kanada auf europäische Wintergetreidesorten warten.
Für den Erfolg einer Wintergetreidesorte ist Konstanz über verschiedene Umwelten extrem wichtig: vor allem bei Ertrag, Gesundheit und Standfestigkeit.
Während man über Winterweizen sagt, dass er nicht gerne reise – also Sorten eher kleinräumig eine hohe Anbaubedeutung erlangen können – weisen Roggen und Triticale eine deutlich breitere Umweltvariabilität auf. Ihr Anpassungsvermögen an Standort- und Umweltbedingungen ist also besonders ausgeprägt.
Nur die Sorten, die sich in Europa beweisen, haben eine Chance auf eine Vermarktung in Kanada
Um die besten Sorten für spezifische Anbaubedingungen oder die Sorten mit der besten Anpassungsfähigkeit an diverse Umwelten zu identifizieren, müssen die Kandidaten über ein weites Prüfsystem angebaut und hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit bewertet werden. Dies geschieht bei der Saaten-Union kulturartspezifisch in verschiedenen Prüfsystemen (Abb. 1).
In diesen Versuchen geht es nicht nur um die reine Ertragsleistung einer Sorte. Vielmehr gilt es, darüber hinaus vielfältige Informationen über die Agronomie einer neuen Sorte zu lernen. Darum werden die neuen Kandidaten in den Testsystemen neben dem Ertrag auch auf ihre Leistungsfähigkeit unter diversen Aussaatzeitpunkten und Aussaatstärken hin überprüft. Dies ermöglicht eine passgenaue Sortenbeschreibung, um zum Zeitpunkt der Sorteneinführung eine optimale Anbauempfehlung geben zu können. Aus dieser intensiven Sortenprüfung resultieren kontinuierliche Neuzulassungen in den einzelnen Kulturen. Das Prüfsystem hat sich in den letzten Jahren etabliert und als funktional für den europäischen Kontinent erwiesen.
Sorten, die hier sehr gut sind, müssen es unter kanadischen Bedingungen nicht ebenfalls sein
Doch wie reagieren Sorten, deren Eigenschaften wir in allen europäischen Klimaten geprüft haben, die wir agronomisch kennen und als gut für einen anderen Kontinent befinden, im realen Anbau unter den lokalen Bedingungen? Dieser spannenden Frage gehen wir derzeit in Kanada nach. Aktuell werden ausgewählte Sorten aus dem hiesigen Prüfsystem auch unter kanadischen Anbaubedingungen geprüft.
Grundsätzlich unterscheiden sich die Anbaubedingungen zwischen Europa und Kanada erheblich. Auch wenn sich einige Teile des Südens Kanadas auf demselben Breitengrad wie Bordeaux in Südfrankreich befinden, sind die Temperaturen und Umweltbedingungen doch sehr unterschiedlich.
Kanada: enorme Vielfalt und unterschiedlichste Umweltbedingungen
Nach Russland ist Kanada das zweitgrößte Land der Erde und weist mit gut 10 Millionen Quadratkilometern eine ähnlich große Fläche auf wie der gesamte europäische Kontinent. Mit knapp 40 Millionen Einwohnern liegt der Grad der Besiedelung jedoch deutlich unter den über 700 Millionen Einwohner Europas.
Knapp die Hälfte der Landesfläche sind mit Wald bedeckt, weniger als 10 % der Landesfläche werden derzeit landwirtschaftlich genutzt. Dies entspricht rund 70 Millionen Hektar nutzbaren Ackerlandes. Besonders die Staaten Manitoba, Saskatchewan und Alberta im mittleren Westen prägen die Agrarproduktion. Aufgrund der Vegetationszeit sowie der nach Norden geringer werdenden Sommerperiode konzentriert sich die landwirtschaftliche Produktion auf den südlichen Landesteil entlang der US-amerikanischen Grenze.
Oft nur knapp vier Monate Vegetationszeit
Doch auch wenn der Großteil der Agrarproduktion sich auf den südlicheren Teil des Landes konzentriert, bieten die rund 5.500 km zwischen der Ost- und der Westküste eine enorme Vielfalt unterschiedlichster Umweltbedingungen. Die Witterungsbedingungen mit kalten und schneereichen Wintern lassen eine Aussaat erst ab Mitte April, regional sogar erst in den ersten beiden Mai-Wochen zu. Bis zur Ernte Ende August bis Anfang September bleiben also nur wenige Monate für eine optimale Ertragsbildung. So ist ein Großteil der kanadischen Agrarproduktion auf den Anbau von Sommerungen fokussiert.
Die relativ geringe und stark schwankende Anbaufläche mit Winterungen lässt sich neben den bereits erwähnten Witterungsbedingungen auch auf das schmale Zeitfenster zwischen Ernte und Aussaat zurückführen. Die Aussaat muss direkt im Anschluss an die Ernte der Vorfrucht erfolgen, um eine optimale Vorwinterentwicklung der Pflanze zu gewährleisten. Daher findet die Aussaat der Winterungen zwischen Ende August und Mitte September statt, regional sogar noch später. In der Regel hat eine Aussaat mit jeder Woche nach dem 15. September deutlich negative Effekte auf das Ertragsniveau.
Der Juli ist oft der einzige vollständig frostfreie Monat des Jahres!
Es gibt Regionen, in denen ist der Juli der einzige vollständig frostfreie Monat des Jahres. Sind die Witterungsbedingungen für die Flächenbefahrbarkeit nach der Ernte dann nicht ausreichend gegeben, so fällt die Entscheidung meist zugunsten einer Sommerung. Somit ist die Entscheidung für die Aussaat einer Winterkultur eher als ein „Kann“ als ein „Muss“ zu sehen.
Für diese kalten Witterungsbedingungen bieten sich von den Winterkulturen insbesondere Roggen und Triticale an. Insbesondere im Hybridroggen-Segment erwies sich das europaweite Testnetzwerk als hilfreich für den kanadischen Markteintritt. So konnten bereits zwei in Europa etablierte Sorten nicht zuletzt aufgrund der guten Erfahrungen aus dem europäischen Prüfsystem auch auf dem kanadischen Markt eingeführt werden. Auch in der Triticale konnte bereits eine Sorte im Markt etabliert werden. Und in beiden Kulturen werden dem Markt auch zukünftig neue Sorten aus dem Prüfnetz zur Verfügung stehen.
Grundvoraussetzung für eine Anbaubedeutung ist immer eine herausragende Winterhärte. Das gilt auch und besonders für den Winterweizen, für den kanadische Witterungsbedingungen nochmal eine andere Herausforderung darstellen als die europäischen Bedingungen. Vor allem in Bezug auf die Winterhärte muss hier bei der Selektion geachtet werden. Doch selbst bei strenger Vorselektion können die besten Sorten auf dem amerikanischen Kontinent vor Herausforderungen gestellt werden (siehe Bild).
Interview mit Nathan PennerWelche Bedeutung haben Winterungen zukünftig in der kanadischen Produktion? Welche Faktoren limitieren den Anbau?Das kanadische Anbausystem kann in zwei klimatische Regionen unterteilt werden, Ost-Kanada und West-Kanada. In Ost-Kanada sind die Haupt-Winterungen Winterweizen, Winterroggen und zu einem geringeren Grad Winterraps und Wintergerste. Winterungen stellen hier einen nicht unerheblichen Anteil in der Fruchtfolge dar. Am wichtigsten sind gute Wetterbedingungen zur Ernte der Vorfrucht, sodass die Zeit für eine ausreichende Entwicklung gegeben ist. Auswinterung kann darüber hinaus in einigen Regionen ein Problem darstellen. In West-Kanada stellen Winterweizen und Winterroggen die verbreitetsten Winterungen dar. Es gibt für eine Pflanzenetablierung nur wenige frostfreie Tage – lange und harte Winter in Kombination mit limitierter Wasserverfügbarkeit sind hier die größten Herausforderungen. Diese Bedingungen begrenzen das Potenzial anderer Winterungen wie Winterraps und Wintergerste. Der Fokus von Landwirten in West-Kanada ist daher stark auf Sommerkulturen ausgerichtet. Nichtsdestotrotz sehen wir ein steigendes Interesse in Winterfruchtarten für Fruchtfolgen und eine nachhaltigere Landwirtschaft. Neuere, hochertragreiche Sorten zusammen mit guten Ackerbaustrategien verhelfen den Winterungen zu steigenden Anbauflächen. Welche Sorteneigenschaften sind in Kanada von besonderer Bedeutung?Die Wachstumsbedingungen unterscheiden sich von Region zu Region und von Jahr zu Jahr erheblich. Soll eine Getreidesorte Erfolg haben, muss sie die Fähigkeit besitzen, nachteilige Bedingungen wie Trockenheit und lange Frostphasen zu überdauern. In Regionen mit hohen Niederschlagsmengen ist die Lagerneigung einer Sorte von hoher Bedeutung. Natürlich zählen am Ende des Tages aber vor allem Ertrag und Qualität. Alle kanadischen Fruchtarten werden einem rigorosen Prüfsystem unterzogen, welches die agronomischen und qualitativen Eigenschaften einer Sorte evaluiert. Ohne einen erfolgreichen Durchlauf durch dieses System kann eine Sorte nicht für einen Anbau in Kanada zugelassen werden. |
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Für den Erfolg einer Wintergetreidesorte ist Konstanz über verschiedene Umwelten extrem wichtig: vor allem bei Ertrag, Gesundheit und Standfestigkeit.
Während Winterweizen eher kleinräumig Bedeutung erlangt, zeigen Roggen und Triticale eine breitere Umweltvariabilität. Die Saaten-Union nutzt ein umfassendes Prüfsystem, um Sorten auf Leistungsfähigkeit unter verschiedenen Bedingungen zu bewerten. Die Prüfstandorte für Winterfestigkeit liegen dabei z. B. in Schweden, Norwegen, Polen, Weißrussland und weitere Länder mit strengen Wintern.
Die Anbaubedingungen in Kanada variieren zwar erheblich, die meisten Regionen sind jedoch durch eine sehr kurze Vegetationsperiode von oft nur vier Monaten und kalten Wintern gekennzeichnet. Oft ist nur der Juni frostfrei. Das fordert Winterungen extrem heraus und vielerorts liegt der Anbauschwerunkt daher auf Sommerungen. Aber der Anteil an Wintergetreide und Winterraps wächst. Hybridroggen und Triticale aus europäischen Tests wurden erfolgreich in Kanada eingeführt.
Die Bedeutung von Winterungen in Kanada variiert zwischen den Regionen. Ost-Kanada setzt auf Winterweizen, Winterroggen und in geringerem Maße auf Winterraps und Wintergerste. Gute Erntebedingungen aber auch die Winterfestigkeit der Sorten sind entscheidend. Das gilt auch und besonders für den Winterweizen, für den kanadische Witterungsbedingungen nochmal eine andere Herausforderung darstellen als die europäischen Bedingungen. Vor allem in Bezug auf die Winterhärte muss hier bei der Selektion geachtet werden.
Nathan Penner, ein Experte aus Kanada, betont, dass Sorten die Fähigkeit zur Anpassung an extreme Bedingungen benötigen. Lagerneigung, Ertrag/stabilität und Qualität sind entscheidend. Alle Sorten durchlaufen ein rigoroses Prüfsystem, um in Kanada zugelassen zu werden.