Betriebsreportage: Sortenresistenz als Basis zukünftiger Pflanzenschutzstrategien

Betriebsreportage: Sortenresistenz als Basis zukünftiger Pflanzenschutzstrategien

Dr. Sabine Andert, Landwirtin im nördlichen Sachsen-Anhalt, berichtet von ihren Erfahrungen mit Verzwergungsviren in Wintergerste und von ihren Gegenstrategien. Für sie ist die Resistenzzüchtung für ihr Pflanzenschutzmanagement nicht nur mit Blick auf Verzwergungsviren elementar.

Wintergerste ist in der Fruchtfolge unseres Familienbetriebes in der Altmark (nördliches Sachsen-Anhalt) die multifunktionale Kultur. Meist als Folgefrucht des Winterweizens angebaut und damit nicht die Vorzüge einer Blattvorfrucht genießend, zeichnet sich die Wintergerste über Jahre durch eine hohe Ertragssicherheit aus. Die Ertragsmenge und Qualitätsparameter waren auch in den zurückliegenden witterungsbedingt schwierigen Anbaujahren zufriedenstellend. Die frühe Ernte entzerrt Arbeitsspitzen und gewährleistet ausreichend Zeit für die Einarbeitung der Erntereste sowie intensives Unkrautmanagement während der Stoppelphase.


Virusbefall sortge für 50 % Ertragsverlust auf befallenen Schlägen; Bild Andert
Virusbefall sortge für 50 % Ertragsverlust auf befallenen Schlägen; Bild Andert
50 % Ertragsverlust auf Schlägen mit Virusbefall

Zunehmender Befall mit Verzwergungsviren in Getreide – davon hatte ich den Fachmedien immer häufiger gelesen. Als ich im Frühjahr 2021 die Wintergerste zum Vegetationsbeginn bonitierte, hatte ich anfänglich jedoch nur eine Vorahnung, welchem Erreger das Schadbild zuzuordnen war, das nesterweise über das gesamte Feld vorzufinden war. Die Pflanzen in den befallenen Nestern waren gedrungen, jedoch stärker bestockt als Pflanzen außerhalb der auffälligen Nester. Beginnend von der Blattspitze waren die Blattscheiden der Pflanzen vergilbt. In der Schossphase wurden die Wuchsunterschiede zwischen den befallenen Pflanzen in den Nestern im Vergleich zur Restfläche immer deutlicher, das Schossen der befallenen Pflanzen blieb überwiegend aus. Das Fahnenblatt färbte sich gelblich, die Ährenbildung der befallenen Pflanzen war stark reduziert. Infolgedessen setzte die vorzeitige Reife mit ungenügender Kornausbildung ein und auf den befallenen Pflanzen kam es zu einem vorzeitigen Befall mit Schwärzepilzen.
Die Teilnahme am Virusmonitoring der SAATEN-UNION ermöglichte eine Diagnose der befallenen Pflanzen, – die verzwergten Pflanzen waren mit dem Gelbverzwergungsvirus (BYDV) infiziert. Der wirtschaftliche Schaden war erheblich. In den befallenen Nestern lag der Verlust bei nahezu 100 % und die Ertragsleistung des befallenen Feldes war im Vergleich zu nicht befallenen Gerstenbeständen unseres Betriebes um 50 % reduziert.

Eine mögliche Ursache des Virusbefalls wurde ausgemacht: Vermutlich hat Mais auf der Nachbarfläche als „grüne Brücke“ fungiert, dort konnten sich große Populationen von Getreideblattläusen im Sommer etablieren und von dort aus die Gerstenpflanzen im Herbst besiedeln.


Nicht zu früh säen

Die gravierenden Ertragsverluste in den Befallsnestern waren für mich der Grund, das Anbaumanagement der Wintergerste zu überdenken und infolgedessen anzupassen. Die konsequente Beseitigung des Ausfallgetreides gehört für mich ebenso wie die Wahl des geeigneten Saatzeitpunktes zum grundlegenden Handwerkszeug der vorbeugenden Viruskontrolle. Wir wägen vor dem Hintergrund der jahresspezifischen Witterung arbeitswirtschaftliche und phytosanitäre Aspekte bei der Wahl des Saattermins ab. Wintergerste wird bei uns im Betrieb zumeist um den 25. September gedrillt. Frühere Saattermine vermeiden wir, um dem Virusbefall vorzubeugen.


Sortenwahl ist zentrales Element bei der Viruskontrolle

Zentrale Rolle in der integrierten Produktion nimmt für mich seit dem Virusbefall allerdings die Sortenwahl ein. Bereits in der Vergangenheit waren Resistenzeigenschaften und Einstufungen geringerer Anfälligkeiten gegenüber pilzlichen Schaderregern etablierte Kriterien in der Sortenwahl des Getreides. Der Anbau wenig anfälliger Sorten gegenüber den Getreidekrankheiten war und ist bedeutender Eckpfeiler unseres integrierten Pflanzenschutzes. Virusresistenzen im Getreide spielten bei der Sortenwahl für mich bis zum Befall der Fläche mit dem Gelbverzwergungsvirus allerdings noch keine Rolle. Durch aktuelle Zulassungen resistenter Sorten gegenüber Gelbmosaikvirus und Gelbverzwergungsvirus bietet sich nun allerdings die Möglichkeit, Sorten mit Virusresistenz anzubauen.

Gemeinsam mit Carsten Knobbe von der SSAATEN-UNION etablierten wir zur Aussaat der Wintergerste in 2021 einen Sortenversuch virusresistenter Sorten. Ziel des Versuches ist, die virusresistenten Sorten in der Phänologie über die Vegetationsperiode zu beobachten, Einblicke in das Bestandsmanagement zu erlangen und die Ertragsquantität und -qualität zu vergleichen. Größte Beachtung fanden im Frühjahr allerdings die Sortenunterschiede hinsichtlich potenziellen Virusbefalls. Im Testanbau befinden sich die Sorten SU MIDNIGHT, Perroella und AMARANTA im Vergleich zur etablierten Sorte SU JULE. SU MIDNIGHT ist resistent gegenüber Gelbmosaikviren beider Typen (BaYMV-1 und BaYMV-2), Perroella ist gelbverzwergungsresistent und besitzt eine Resistenz gegenüber BaYMV-1, die Sorte AMARANTA ist sogar multiresistent gegenüber beiden Typen der Gelbmosaikviren sowie gegen Gelbverzwergungsviren.


2021/22 war kein Virusjahr

Im Herbst 2021 durchgeführte regelmäßige Kontrollen der Sorten auf Vektoren und die Ermittlung der Blattlausdichte zeigte geringe Blattlauspopulationen im Sortenversuch auf. Da erste Infektionen des Gelbverzwergungsvirus bereits im Herbst durch Blattläuse gesetzt werden können, wurde der Versuch beginnend ab dem Auflaufen der Pflanzen bis zur Vegetationsruhe regelmäßig bonitiert. Die gültige Bekämpfungsschwelle von 10 % befallener Pflanzen wurden auf anderen Feldern überschritten, nicht allerdings im Sortenversuch. Aus diesem Grund wurden keine Insektizide im Herbst eingesetzt. Es gilt: Je milder der Herbst und der Winter, desto höher sind die Vermehrungsleistung der Blattläuse und somit das Risiko der Virusausbreitung. Die geringere Ausgangspopulation der Blattläuse hat vermutlich dazu beigetragen, dass trotz des milden Herbstes und Winters keine Virusinfektionen stattgefunden haben. Im Frühjahr 2022 wurde keine Virusbefall im Sortenversuch festgestellt.

Abschließende Erkenntnisse zur Sortenwahl beruhend auf Sortenunterschieden im Befall mit Gelbverzwergungs- und/oder Gelbmosaikvirus konnte der diesjährige Versuch aufgrund der geringen Blattlauspopulationen im vergangenen Herbst nicht bereitstellen. Allerdings zeigte sich, dass die virusresistenten Sorten in der Bestandesführung wie die Vergleichssorte SU JULE geführt werden konnten.


Fazit

Den Sortenvergleich werden wir wiederholen, um weitere Erkenntnisse zu den neuen Sorten zu gewinnen. Das ist für mich wichtig, da ich die Resistenzzüchtung als die Basis meiner zukünftigen Pflanzenschutzstrategien sehe. Durch die Sortenresistenz der Wintergerste verspreche ich mir gesunde Bestände, die Ertrags- und Vermarktungssicherheit gewährleisten. Eingesparte Insektizid-Applikationen tragen darüber hinaus zum Wirkungserhalt insektizider Wirkstoffe wie auch zur Kostenersparnis im Anbau bei.

Dr. Sabine Andert
Dr. Sabine Andert
Fotos und Text: Dr. Sabine Andert


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Wintergerste ist in der Fruchtfolge des Familienbetriebes in der Altmark (nördliches Sachsen-Anhalt) die multifunktionale Kultur. Meist nach Winterweizen angebaut, überzeugt sie durch eine hohe Ertragssicherheit.

Seit dem Frühjahr 2021 kommt es zu einenm zunehmender Befall mit Verzwergungsviren. Die Pflanzen in den befallenen Nestern sind gedrungen, jedoch stärker bestockt als Pflanzen außerhalb der auffälligen Nester. Beginnend von der Blattspitze vergilben die Blattscheiden. In der Schossphase wurden die Wuchsunterschiede zwischen den befallenen Pflanzen in den Nestern im Vergleich zur Restfläche immer deutlicher, das Schossen der befallenen Pflanzen bleibt überwiegend aus. Das Fahnenblatt färbte sich gelblich, die Ährenbildung der befallenen Pflanzen war stark reduziert. Infolgedessen setzte die vorzeitige Reife mit ungenügender Kornausbildung ein und auf den befallenen Pflanzen kam es zu einem vorzeitigen Befall mit Schwärzepilzen.

Sabine Andert nahm am Virusmonitoring der SAATEN-UNION und erhielt so die Diagnose Gelbverzwergungsvirus (BYDV). Der wirtschaftliche Schaden auf den betroffenen Feldern lag bei bis zu 50 % .

Die gravierenden Ertragsverluste in den Befallsnestern führten zu einer Analyse und Anpassung des Gerstenanbaues:

  • konsequente Beseitigung des Ausfallgetreides
  • Wahl des geeigneten Saatzeitpunktes
  • Sortenwahl ist zentrales Element bei der Viruskontrolle: Es werden eigene Sortenversuche durchgeführt.
  • Vermeidung grüner Brücken (Läuse!)