Grünes Getreidefeld mit gelben, vertrockneten Halmen am Boden. (automatisch generiert durch KI)

Physiologische Blattflecken – ein zunehmendes Risiko in Getreide?

In den zurückliegenden Anbaujahren traten verstärkt physiologische Blattflecken (PLS-Flecken) in Getreidebeständen auf. Oft vorrangig in der Wintergerste beobachtet, nimmt das Auftreten auch in Weizenbeständen stetig zu. Wir haben zwei Spezialisten gebeten, das Thema für ihre Beratungsregion zu beleuchten.

Der Beitrag von Nikolaus Schackmann, Berater für Pflanzenbau und Pflanzenschutz am Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Eifel in Bitburg, hat den Fokus auf Winterweizen, wo PLS immer häufiger zu beobachten sind.

Eine recht trockene Frühjahrswitterung, die bis in die zweite Maihälfte anhielt, reduzierte zwar den Krankheitsdruck, der nach den großen Niederschlagsmengen im Winter 24/25 erwartet worden war. Es waren jedoch sehr oft nicht parasitäre Blattflecken in den Beständen zu beobachten.


Vergleichsweise geringe Auswirkung „nichtparasitärer Blattflecken“ auf den Ertrag

Unter dem Begriff „nicht parasitären Blattflecken“ versteht man Blattflecken oder Verfärbungen auf Getreideblättern, die nicht durch Pilze, Bakterien oder Viren, sondern durch abiotische Faktoren verursacht werden. Ihre Ertragswirkung wird meist überschätzt, da der Verlust der Assimilationsfläche durch die Blattflecken einen deutlich geringeren Ertragsverlust verursacht, als wenn diese durch Krankheiten verursacht würden. Das Auftreten und die Symptome von nicht parasitären Blattflecken ist sehr vielschichtig und kann sehr viele verschiedene Ursachen haben. Daher ist eine sichere Diagnose der Blattflecken wichtig, damit sie nicht zu nicht notwendigen Fungizideinsätzen führen.


Nahaufnahme von Pflanzenblättern mit braunen Flecken und Verfärbungen. (automatisch generiert durch KI)
Blattflecken an der Winterweizensorte Thermidor. Erstdiagnose auf dem Feld war Septoria tritici, das Laborergebnis wies jedoch Alternaria aus.


Wie erkennt man nicht parasitäre Blattflecken sicher?

Besonders die von Pilzen verursachten Krankheiten zeigen auf den Blattflecken typische Fruchtkörper wie Pyknidien (Septoria tritici), Pusteln (Roste) oder Myzel (Mehltau) und treten ungleichmäßig auf. Manche sind mit bloßem Auge, andere nur mithilfe von Lupe oder Mikroskop zu erkennen. Bei bakteriell oder durch Viren verursachten Blattflecken ist die Diagnose deutlich schwieriger und nur im Labor eindeutig zu bestimmen. Die meisten Pflanzenschutzdienste der Länder sind bei der Diagnose von Krankheiten behilflich.

Nicht parasitäre Blattflecken sind meist unregelmäßig verteilt und auf den Blättern nicht an Blattadern begrenzt. Ihre Farbvariationen reichen von gelblich über graubraun bis rötlich und machen einen nekrotischen Eindruck. Die Formen solcher Blattflecken können rund, elliptisch bis streifig oder gar unregelmäßig sein. Im Gegensatz zu Krankheitssymptomen treten nicht parasitäre Blattflecken meist plötzlich im Bestand auf. Je nach Ursache findet man diese in den Lichtschächten der Fahrgassen häufiger, im Schatten von Hecken oder Bäumen seltener. Anders als bei Krankheiten werden die nicht parasitären Blattflecken im Laufe der Zeit nicht größer, es werden allenfalls mehr.


Tipp: Markieren Sie einzelne Pflanzen oder Blätter und beobachten Sie diese über einen längeren Zeitraum!

Um Pilzkrankheiten sicher zu diagnostizieren, braucht es Erfahrung. Liegt diese nicht vor und Sie sind sich unsicher, dann sollten Sie die Beratungsleistung unabhängiger Institutionen in Anspruch nehmen. Denn Ursachenklärung spart letztlich Geld! Die Pflanzenschutzdienste der Länder bieten in der Regel Beratungsleistungen an und unterhalten leistungsfähige und erfahrene Labore, die in Zusammenarbeit mit der Beratung vor Ort bei der Diagnose von Krankheiten unterstützen. In Sortenversuchen und Monitoringflächen (www.isip.de) wird das Auftreten von nicht parasitären Blattflecken erfasst und dokumentiert. Sie bieten eine gute Möglichkeit, das sortenspezifische und lokale Auftreten von physiologischen, nicht parasitären Blattflecken einzuschätzen.


Vielschichtige Ursachen

Die Ursachen der nicht parasitären Blattflecken können vielschichtig sein und regional in ihrer Bedeutung differenzieren. Auch weisen verschiedene Getreidearten eine unterschiedliche „Anfälligkeit“ auf, die von Wintergerste und Weizen über Triticale und Roggen abnimmt. Hinzu kommen Sortenunterschiede.

1. Witterung und Klima

Spätfröste, besonders nach Perioden starken Wachstums, führen auf den Blättern zu länglichen, hellen bis bräunlichen Flecken. Hitze- und Trockenstress führt dagegen zu chlorotischen oder nekrotischen Flecken, bis hin zu hellen Flecken (Sonnenbrand), wenn es nach Tagen mit starker Bewölkung und Niederschlägen plötzlich zu einer starken Sonneneinstrahlung kommt.

2. Chemische Ursachen

Wenige Tage nach Pflanzenschutzmaßnahmen treten immer wieder abiotische Flecken auf. Herbizide (z. B. die Wirkstoffe Carfentrazone oder Bifenox) hinterlassen oft helle Punkte auf den Blättern, was durch die Zugabe von Flüssigdüngern insbesondere bei ungünstigen Witterungsbedingungen verstärkt wird. Aber auch der Einsatz von Kombinationen aus Fungiziden und Wachstumsreglern in der frühen Schossphase kann bei ungünstiger Witterung in Verbindung mit „scharfen“ Formulierungen zu abiotischen Flecken führen, die dann gleichmäßig über den Bestand verteilt sind.


Grünes Getreidefeld mit gelben, vertrockneten Halmen am Boden. (automatisch generiert durch KI)
Frühzeitiges Absterben der unteren Blätter eines spät gesäten Winterweizenbestandes der Sorte Asory hervorgerufen durch Trockenheit und schlechte Bodenstruktur


3. Nährstoffe und Nährstoffverfügbarkeit

Auch ein Mangel von Nährstoffen kann das Auftreten von nicht parasitären Blattflecken verstärken. Da Nährstoffmangelsymptome nur selten eindeutig im Feld zu erkennen sind, sollte im Verdachtsfall eine Pflanzenanalyse durchgeführt werden.

Wir beobachten in unserem Beratungsgebiet folgenden Zusammenhang: Wo eine regelmäßige und ausgewogene Düngung insbesondere im Bereich der Grunddüngung inkl. Kalk durchführt wird, sind deutlich seltener nicht parasitäre Blattflecken im Getreide zu beobachten. Und: Je häufiger Kompromisse bei der Bodenbearbeitung eingegangen werden, umso schlechter ist die Nährstoffverfügbarkeit, auch wenn die Bodenuntersuchung eine ausreichende Nährstoffmenge im Boden attestiert. Eine geringe Kaliversorgung der Böden oder eine zu geringe Kalidüngung in Verbindung mit hohen Magnesiumgehalten im Boden sind häufig die Ursache für ein stärkeres Auftreten von nicht parasitären Blattflecken. Diese haben übrigens einen deutlich höheren Ertragseinfluss, wenn eine unausgeglichene Nährstoffversorgung die Ursache ist.

4. Physiologische Ursachen

In die Gruppe der physiologischen Ursachen fällt z. B. das Absterben älterer Blätter in dichten Beständen durch Lichtmangel. Auch sortenspezifische Reaktionen fallen hierunter: So bilden einige Wintergerstensorten häufig PLS-Blattflecken ohne pilzliche Ursache oder auch netzfleckenähnliche Blattflecken aus (Barley physiological leaf spots). Beim Weizen zeigen einige Sorten im späteren Verlauf der Schossphase eine mehr oder weniger ausgeprägte Sprenkelung (hellgrüne, kleine punktförmige Flecken) der Blätter auf. Daneben sind in den vergangenen Jahren und besonders in diesem Jahr häufig beim Weizen kleinere gelb-braune Flecken aufgetreten, die Drechslera tritici-repentis (DTR) täuschend ähneln. Sie können nur im Labor sicher unterschieden werden. Die Sporen von DTR sind selbst mit guten Lupen im Feld nicht zu erkennen. Bei starkem Auftreten können sie auch mit einer beginnenden Septoria tritici-Infektion verwechselt werden und führen immer wieder zu nicht notwendigen Einsätzen von Fungiziden.

Sorten mit stärkerem Auftreten von nicht parasitären Blattflecken haben nicht grundsätzlich eine schlechtere Ertragsleistung.


Zwei grüne Blätter mit braunen Flecken liegen auf einem dunkelblauen Stoff mit blauen Nähten. (automatisch generiert durch KI)
Nicht parasitäre Blattflecken an Winterweizen, sehr große Ähnlichkeit mit DTR-Flecken


So lassen sich nicht parasitäre Blattflecken einschränken

Eine ausgewogene Düngung, die auch die Mikronährstoffe umfassen sollte, macht die Pflanzen unempfindlicher. Beim Einsatz von Pflanzenschutzmaßnahmen muss stärker auf die Verträglichkeit verschiedener Tankmischungen geachtet werden. Aus Kostengründen steigt der Druck, Tankmischungen aus vielen Komponenten (Herbizid, Wachstumsregler, Fungizid und manchmal auch Flüssigdünger) in einer Überfahrt zu applizieren. Immer wieder kommt es dabei zum sehr starken Auftreten von nicht parasitären Blattflecken. Die Anlage von Spritzfenstern erleichtert die Ursachenforschung.

alle Bilder: Schackmann



Stefan Mast, Fachberater bei Nufarm Deutschland, spricht hier für Gerste, da die Symptomatik im Norden und Osten Deutschlands vornehmlich in dieser Kulturart auftritt.

Meistens sind am Befallsgeschehen eine Vielzahl variabler Faktoren beteiligt (s. Beitrag von Nikolaus Schackmann), ein Fixpunkt ist jedoch die mit den steigenden Jahresmitteltemperaturen einhergehende zunehmende Sonneneinstrahlung bzw. deren Intensität sowie eine Ausdehnung von Trockenphasen im Frühjahr. Die Folgen sind dann Stressphasen für die Pflanzen, die Verfügbarkeit von Wasser und damit auch von wichtigen Nährstoffen ist eingeschränkt. Aufgrund der Berechnungen der Klimamodelle der Experten des DWD kann davon ausgegangen werden, dass die landwirtschaftliche Praxis mit einer Verschärfung dieser Situation rechnen muss.


Verwechslungsmöglichkeiten

Gerade bei PLS-Flecken ist die Verwechselungsgefahr mit pilzlichen Pathogenen häufig gegeben. Vor allem in der Wintergerste sind, unabhängig vom Entwicklungsstadium, gehäuft Blattflecken zu finden. Charakteristisch für solche PLS-Flecken sind punktförmige Aufhellungen, die sich zunächst auf dem waagerechten Teil der Blattspreiten (Einstrahlung!) oberer Blattetagen ausbreiten und innerhalb von wenigen Tagen in bräunliche Nekrosen übergehen.

Ramularia wird oft mit Blattflecken verwechselt: Bild Dörrie
Ramularia wird oft mit Blattflecken verwechselt: Bild Dörrie

In der Wintergerste können physiologische Blattflecken häufig mit Abwehrnekrosen gegen den Echten Mehltau bzw. auch mit Mangelsymptomen (Mangan oder Magnesium) verwechselt werden – im Frühjahr 2025 wieder häufiger zu beobachten. Dies gilt auch für den zum Vegetationsende auch in Norddeutschland immer häufiger auftretenden Ramularia-Befall, oft finden wir auch vergesellschaftete Flecken.


Maßnahmen zur Begrenzung

Je vitaler die Pflanze, desto geringer auch das Ausmaß nicht parasitärer Blattflecken. Ziel im Ackerbau muss es also sein, zu Beginn der kritischen Phase Ende des Schossens (BBCH 37/39) möglichst vitale Bestände zu etablieren und den Ertragseinfluss nicht parasitärer Blattflecken so möglichst gering zu halten.

Punkt 1: Aussaat und Bestandesetablierung im Herbst

Aussaatbedingungen: „Saatbett geht vor Saatzeit“ dieser alte Spruch hat nach wie vor seine Berechtigung. Insbesondere die Wintergerste ist hier sensibel, (zu) niedrige pH-Werte oder staunasse Böden sind zwingend zu vermeiden, eine ausgewogene Düngung grundlegend. Eine optimale Pflanzenentwicklung vor Winter über frühe Saattermine zu erreichen, ist aufgrund der zunehmenden Gräserproblematik in vielen Teilen Deutschlands mittlerweile fragwürdig. Gezielte Blattdüngemaßnahmen können die Entwicklung im Herbst unterstützen und sind v. a. bei Wintergerste oft schon Standard.

Herbizidstress vermeiden: Einzelne Winterweizensorten reagieren empfindlich auf den Wirkstoff Chlortoluron, bei Aufwandmengen von > 900 g/ha empfiehlt sich der Blick in die CTU-Sortenliste bzw. die Züchterangaben. Wintergerste kann sehr empfindlich auf den Wirkstoff Diflufenican reagieren – sichtbar an auffälligen weißlich-bleichen Blattflecken. Die Erfahrung zeigt, dass bei Aufwandmengen von < 80 g/ha das Risiko hierfür spürbar sinkt.

Punkt 2: N-Düngung und Pflanzenschutzmaßnahmen im Frühjahr

Im zeitigen Frühjahr beeinflussen die 1. und 2. N-Gabe die Entwicklung der Bestände und somit das Ertragspotenzial maßgeblich. Eine bestandes- und standortangepasste N-Düngung sollte selbstverständlich sein, wobei natürlich auch ein gewisses Maß von Wasserverfügbarkeit und damit Nährstoffverfügbarkeit gegeben sein muss. Treten zu Beginn der Schossphase witterungsbedingt Blattflecken auf, sollten Wachstumsregler gerade auf Grenzstandorten mit Augenmaß eingesetzt werden bzw. der Einsatz in den Abendstunden erfolgen (ausgeprägtere Wachsschicht). Kritisch ist vor allem der Einsatz unmittelbar vor oder nach Nachtfrösten.

Fungizide Maßnahmen können PLS-Flecken nicht direkt bekämpfen, allerdings haben fungizide Wirkstoffe additive physiologische Effekte, wenn sie protektiv eingesetzt werden. Durch den sogenannten „Greening-Effekt“ bleiben Pflanzen länger vital. Insbesondere die fungiziden Wirkstoffgruppen der Carboxamide, Strobilurine und Picolinamide sind hier zu nennen.

Punkt 3: Sortenwahl

Über die Jahre konnten bei der Vielzahl der Sorten im Getreideanbau auch immer wieder Unterschiede der Sorten hinsichtlich des Befalls mit PLS-Blattflecken festgestellt werden, insbesondere bei Winterweizen.

Sortenspezifische Auffälligkeiten für PLS-Flecken werden zumindest aktuell nicht vom Bundessortenamt beschrieben, das macht die Entscheidung deutlich stärker von eigenen Erfahrungen bzw. Beobachtungen im Feld abhängig – dies sollte aber keinesfalls ein Ausschlusskriterium sein. Die Sorte Tobak, auch eher auffällig hinsichtlich Blattflecken, gehörte aufgrund ihrer Ökostabilität zu den ertragsstärksten Sorten.


Fazit

Da die klimatischen Herausforderungen mehr werden, muss auch mit verstärktem Auftreten von PLS-Flecken gerechnet werden. Auch wenn es diesbezüglich Sortenunterschiede gibt – bei Weizen wie auch bei Gerste – müssen auffälligere Sorten nicht zwingend auch ertragsschwächer sein. Weiterhin entscheidend wird es sein, die Bestandesführung zu optimieren, um die Pflanzen so resilient wie möglich zu machen. Sicher ist: Die Landwirtschaft wird Lösungen finden!


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Der Artikel behandelt das zunehmende Auftreten physiologischer Blattflecken (PLS) in Getreidebeständen, insbesondere in Winterweizen und Gerste. Diese nicht parasitären Flecken, verursacht durch abiotische Faktoren wie Klima und chemische Einflüsse, führen oft zu Fehldiagnosen und unnötigem Fungizideinsatz. Meist wird der wirtschaftliche Schaden dieser abiotischen Blatflecken höher eingeschätzt als er tatsächlich ist.

Es wird die sicher Diagnose ebenso diskutiert, wie die Ursachen dieser Blattflecken. Diese Ursachen sind vielfältig, darunter Witterungsbedingungen, suboptimale chemischer Pflanzenschutz- oder Wachstumsreglereinsatz oder Nährstoffmangel.

Strategien zur Eindämmung umfassen ausgewogene Düngung, gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen und die Wahl resistenterer Sorten.