Fünf Eier in einer blauen, leuchtenden Umgebung, die wie ein Röhrensystem aussieht. (automatisch generiert durch KI)

Plasmabeizen – auf dem Weg zur Praxisreife!

Am Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e. V. (INP) in Greifswald wird unter anderem auch daran gearbeitet, die Plasmatechnologie als Alternative zur chemischen Beizung gegen samenbürtige Krankheiten von Nutzpflanzen bis zur Praxisreife zu entwickeln. Professor Dr. Jürgen F. Kolb und Dr. Nicola Wannicke erläutern in einem Gespräch mit praxisnah1, was es mit Plasmabeizen auf sich hat, wogegen sie wirken, wie sie zusammen mit Praktikern forschen und wie hoch das Potenzial dieser Beizen für die Praxis ist.

Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Nicola Wannicke begleitet schon seit vier Jahren als Biologin im Forschungsschwerpunkt Landwirtschaft, Bioökonomie und Umwelt in der Abteilung Plasmabiotechnik ein Projekt, das sich mit der Saatgutbehandlung/Saatguthygiene beschäftigt (PHYSICS FOR SEED TREATMENT). Der Physiker Prof. Dr. Jürgen F. Kolb beschäftigt sich seit fast 25 Jahren mit der Anwendung von Plasmatechnologie in der Medizin, Biotechnologie und Umwelt und leitet das Projekt PHYSICS FOR FOOD.


praxisnah: Was genau versteht man unter Plasma bzw. Plasmabeize?

Prof. Dr. Jürgen F. Kolb: Plasma kann man hier in diesem Zusammenhang als reaktives Gasgemisch bezeichnen – und das erzeugt man mit einer elektrischen Entladung. Man legt also eine Hochspannung zwischen Elektroden an. Das „Betriebsgas“ – was immer es ist – wird dadurch auseinandergerissen und es entstehen reaktive Spezies. Für uns ist das Gas „Luft“ besonders interessant. Luft und auch Wasser sind Wirkkomponenten, die man für verschiedene Anwendungen einsetzen kann. Plasma gibt es schon lange – und auch dessen Anwendung an Oberflächen. Das ist überhaupt nichts Neues.

Können Sie mal Beispiele nennen, wo uns Plasma im Alltag schon begegnet?

Kolb: zum Beispiel die Halbleitertechnologie: 60 % Ihrer Smartphone-Komponenten hat schon mal so einen Plasmaschritt gesehen. Weitere Beispiele sind Oberflächenbehandlungen wie kratzfeste Oberflächen, einseitige Klebestreifen, wie kriege ich Tinte dazu, auf glatten Oberflächen zu haften etc. Und dann das Saatgut: Auch hier gibt es ja schon länger Ansätze zu Oberflächenbehandlungen, die wir weiterentwickeln wollten. Plasma ist also ein Gas, das etwas mit der Oberfläche macht und selbst keine feste Substanz hat. Wir sehen es nicht, sondern nur seine Wirkung, deshalb ist es uns nicht so präsent.

Kolb: Wir nennen es daher auch unterstützende Technologie, in unserem Alltag omnipräsent.


Frau Dr. Wannicke, erläutern Sie uns doch bitte den Bereich Plasmabeize und Pflanzenschutz.

Dr. Nicola Wannicke: Zum einen kann Plasma die Pflanze bzw. den Samen vor äußeren Einflüssen – Pilze, Bakterien etc. – schützen, zum anderen aber auch biostimulierend wirken. Letzteres zeigt sich dann in einer verbesserten abiotischen Stressbewältigung oder/und in einer verbesserten Entwicklung und einer Steigerung des Ertrages. Wir haben in unserem Projekt festgestellt, dass Mikroorganismen, die bei der Behandlung auf der Samenschale sitzen, sehr gut durch plasmabehandelte Luft inaktiviert werden. Hier wird also erst die Luft behandelt und dann über das Samenkorn geführt. Das Saatgut selbst wird dadurch nicht geschädigt, denn dessen Zellstruktur ist eine andere als die der Mikroorganismen, die abgetötet werden.

Diese Behandlung hat aber keine Wirkung im Korn oder direkt unter der Samenschale?

Kolb: Die Wirkung erfolgt nur da, wo Gas hinkommen kann. Also auf der Schale. Wichtig dabei auch: Dieses Gasgemisch kann man nicht in Flaschen abfüllen, das muss man vor Ort produzieren. Das ist räumlich und zeitlich begrenzt und zerfällt wieder in die einzelnen Bestandteile.


Was war denn der Hintergrund für dieses Projekt und was ist Ihr Ziel?

Kolb: Wir waren nicht die Einzigen, die in Sachen Plasma zur Keimabtötung geforscht haben. Hier wird weltweit auch besonders im medizinischen Bereich gearbeitet: aber in der Regel im Labor. Wir wollten jedoch raus in die Praxis und das macht unser Projekt aus.

Wir leben hier in einem Raum, der stark landwirtschaftlich geprägt ist. Und durch den Wegfall chemischer Beizmittel entfallen Möglichkeiten in der Landwirtschaft. Frau Wannicke ist sogar von Züchtern direkt angesprochen worden, weil diese nach Alternativen suchen. Unser Ziel ist daher: Wir bringen diese Technik in die Anwendung, also in die Betriebe!

Das heißt, dass Sie in diesen vier Forschungsjahren auch viel in der Praxis und mit der Praxis gearbeitet haben?

Wannicke: Wir haben mit Saatzüchtern zusammengearbeitet, – der Norddeutschen Pflanzenzucht, der Saatzucht Steinach, der Saatzucht Bauer und anfangs war auch die Ceravis AG dabei – das waren sehr zuverlässige Partner. Bei denen wurden konkrete Feldversuche durchgeführt, das können wir hier gar nicht leisten. Diese Industriepartner haben auch 50 % der Leistungen beigesteuert.

Kolb: Letztlich haben wir 60 Partner und Partnerfirmen angeworben. Nicht nur für das Projekt Saatgutbehandlung, denn das ist ein ganz wichtiger Teil des Großprojektes „Physics for Food“. Das ist ein großes Privileg!


Erzählen Sie doch mal, wie verlief das Projekt Saatgutbehandlung? Welche Schwierigkeiten gab es?

Wannicke: Wir sind 2018–2019 im Labor mit der Klärung der physikalischen Methode gestartet – z. B. welche Plasmaquelle, welche Parameter sind geeignet. Danach – ab 2020 – waren wir schon in der Praxis. Gerste, Weizen, Raps und Lupinen waren unsere Testkulturarten. Wir haben z. B. versucht, das Lupinensaatgut mit Anthraknose zu infizieren, um zu sehen, ob im Feld eine Plasmabeizung einen Effekt hat. Leider sind die Pflanzen aber gar nicht krank geworden! Wie bekommt man also die Krankheit in die Pflanze? Tatsächlich gibt es Firmen, die Pathogene produzieren, die man dort bestellen kann. Aber auch das hat nicht funktioniert. Wir haben dann ab 2022 versucht, mit natürlich infiziertem Saatgut zu arbeiten. Dazu braucht man aber auch eine ausreichende Menge. Wir haben nach Stein- und Flugbrand gesucht und immerhin ein paar infizierte Partien gefunden. Da konnten wir dann zum Glück Effekte im Feld feststellen!

Was ist denn jetzt Plasmabeize eigentlich – Chemie oder Physik?

Kolb: Sehr gute Frage! Wir sind der Meinung, dass es sich um ein hauptsächlich physikalisches Verfahren – mit ein bisschen Chemie – handelt. Aber die Antwort auf Ihre Frage ist enorm wichtig für die Zulassung des Verfahrens. Da ist ja ein Wirkstoff am Korn – also Chemie zumindest für Sekunden. Aber eine Stunde später ist das alles wieder weg und damit auch nicht mehr nachweisbar. Das Betriebsmittel ist ja eigentlich Luft, die nach einer kurzen aktivierten Phase wieder zu Luft wird.

Das ist ja nicht nur für die Zulassung relevant, sondern auch (nach erfolgter Zulassung) wichtig für eine eventuelle Anwendung im Biolandbau!

Kolb: Das ist die nächste Frage: Denn der ökologische Landbau braucht auch Lösungen, aber die diskutieren Plasmabeize auch sehr unterschiedlich.

Und es ist auch wichtig für den Anwenderschutz – wie sieht der denn eigentlich in der Praxis aus? Die Beize muss ja vor Ort hergestellt werden.

Kolb: Früher hat man die Beize auf den Betrieben in Betonmischern aufgebracht. Ich traue den Landwirtinnen und Landwirten durchaus zu, eine einfache Technik zur Plasmabeize vor Ort zu verwenden. Das ist auch ein Vorteil: Man kann das wieder autonom vor Ort selbst machen! Aber die Einführung dieser Technik in den Markt ist nicht mehr UNSERE Aufgabe, wir entwickeln die Technik nur.


Gibt es schon Interessenten, also potenzielle Markteinführungspartner?

Wannicke: Wir sind im Gespräch, wie das auf den Betrieben installiert werden kann. Anwenderschutz ist hier ein Thema, das noch definiert werden muss. Wir suchen also noch Partner, die das für uns vor Ort ausprobieren. Aus der Landwirtschaft gibt es durchaus schon Interesse!

Kolb: Das dickste Brett ist jetzt, die Zulassung zu schaffen.

Was ist – optimistisch geschätzt und die Zulassung vorausgesetzt – Ihre Zeitplanung für eine Markteinführung?

Kolb: Also ich will das in drei bis fünf Jahren auf dem Markt haben! Von der technischen Entwicklung her kriegen wir das hin!

Haben Sie Interesse als Testbetrieb mitzumachen?
Sie müssen dazu nicht in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern ansässig sein.
Dann melden Sie sich gerne bei
Dr. Nicola Wannicke (nicola.wannicke@inp-greifswald.de)
oder Prof. Dr. Jürgen F. Kolb (juergen.kolb@inp-greifswald.de)
Mehr Infos unter:
www.inp-greifswald.de
https://physicsforfood.org


Dieses Gespräch ist eine Kurzfassung unserer Podcastfolge aus dem November 2025

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Vier Personen sitzen in einem Büro um ein Mikrofon, diskutieren und machen Notizen. Im Hintergrund ist ein Whiteboard. (automatisch generiert durch KI)
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Zwei Personen sitzen in einem Raum mit Mikrofonen, halten Papiere und scheinen ein Gespräch aufzunehmen. (automatisch generiert durch KI)
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Schnell gelesen (Kurzfassung):

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