Zunehmend wird Hafer nicht nur als temporäre Alternative, sondern als fester Bestandteil der Fruchtfolge mit einer lukrativen Vermarktungsaussicht betrachtet. Was der Praxis fehlt, sind produktionstechnische Versuche, deren Interpretation die Umsetzung des hohen genetischen Potenzials der verfügbaren Sorten in der Praxis ermöglicht.
Gerade in den letzten 10 Jahren haben sich die Ernährungsgewohnheiten in vielen Ländern stark verändert. Getrieben wird diese Entwicklung vor allem von der größten demografischen Gruppe in den westlichen Industrieländern – den sogenannten Millennials. Als Millennials werden Menschen bezeichnet, die zwischen den frühen 1980ern und 2004 geboren wurden. Diese Verbrauchergruppe bestimmt heute mit ihren Präferenzen weitgehend das Angebot der Supermärkte und Restaurants. Sie fordert unter anderem Transparenz bei der Lebensmitterzeugung und -verarbeitung, mehr Regionalität und umweltfreundliche Erzeugung, einfache Verarbeitung, Snacks u.v.m. Lebensmittel auf Haferbasis können sehr viele dieser Forderungen in herausragender Art und Weise erfüllen.
Der Haferbedarf steigt
Es ist daher nicht verwunderlich, dass wir global gesehen einen fortwährenden deutlichen Anstieg der Verwendung von Hafer in Lebensmitteln beobachten können. Schweden, Finnland, Deutschland, Irland, Großbritannien, Dänemark, Belgien, Polen stehen für rund 93 % der europäischen Schälhaferverarbeitung. Im deutlichen Gegensatz dazu befindet sich jedoch die Entwicklung der Haferanbaufläche in diesen Ländern, die dort in den vergangenen fünf Jahren sogar leicht gesunken ist. Marktbeobachter gehen davon aus, dass sich diese Entwicklung weiter fortsetzen wird, da Hafer preislich häufig nur mit seinem Futterwert eingestuft wird und damit für viele Landwirte im Anbau ökonomisch unattraktiv ist. Hafer wird sich im Lebensmittelbereich also zu einer zunehmend kontrahierten Spezialfrucht entwickeln, um die von den Verarbeitern dringend benötigten Mengen und Qualitäten sicherzustellen.
Das genetische Potenzial ist da – an der Umsetzung hapert es oft
Mit modernen Hafersorten lässt sich ein hohes Ertrags- und Qualitätsniveau bei geringem Input von Dünger und Pflanzenschutzmitteln erzielen. Es fehlt bei uns jedoch nach wie vor an gezielt angelegten produktionstechnischen Haferversuchen, um das zweifellos vorhandene hohe Sortenniveau hinsichtlich Qualität und Ertrag auch auszuschöpfen. Im vergangenen Jahr wurden daher von verschiedenen öffentlichen und privatwirtschaftlich betriebenen Einrichtungen bundesweit erstmalig gezielt produktionstechnische Haferversuche angelegt. Auch wenn nach einem sehr besonderen Jahr generelle Schlussfolgerungen aus diesen Versuchen nur mit großer Vorsicht gezogen werden dürfen, so lassen sich doch bereits erste Tendenzen erkennen.
Die Versuche allgemein: Versuchsfragen:
Standorte: Versuchsgut Merklingsen der FH Südwestfalen, Versuchsstation Moosburg (Bayern) Versuchsstandorte auf der Insel Rügen, im Kreis Hzgt. Lauenburg und im Regenschatten des östlichen Vorharzgebietes Sorten: Dominik, Max, Delfin, Harmony, Troll, Poseidon Mangan-Beize: 1: gebeizt Mobil®// 2: ungebeizt Aussaatstärken: 1: 230 Kö/m² // 2: 300 Kö/m² Fungizidvarianten: 1: ohne // 2: Torero + Osiris // 3: Torero + Osiris + Elatus Era gegen vermuteten Befall mit Schneeschimmel Wachstumsregler: 1: ohne // 2: 0,2 l/ha Moddus® EC 30/31 // 3: 1,0 l/ha CCC EC 34–37 // 4: Moddus® + CCC N-Varianten: 1: Sollwert 140 kg/ha N // 2: Sollwert + 20 kg/ha N // 3: Sollwert + 40 kg/ha N. |
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Standort Merklingsen (Westdeutschland)
Die im Jahre 2018 angelegten Groß- und Kleinparzellenversuche stellten zunächst klassische pflanzenbauliche Problemstellungen in den Mittelpunkt (Aufbau s. Kasten). Am Standort Merklingsen wurde der umfangreichste Versuch angelegt. Da die Qualitätsanalysen dieses Versuches noch nicht komplett abgeschlossen sind, lassen sich zurzeit nur Aussagen zur Variation der Kornerträge und des Hektolitergewichtes in den einzelnen Varianten treffen.
Kornertrag: Mit einem mittleren Kornertrag von 82,5 dt/ha über alle Sorten und Varianten zeigt der Versuch, was im großflächigen Haferanbau unter westfälischen Bedingungen auch in einem trockenen und überdurchschnittlich warmen Anbaujahr möglich ist. Gründe dafür sind die frühen Saattermine in Verbindung mit einer hohen Feldkapazität und einer sehr guten Durchwurzelbarkeit des Bodens nach langjährig pflugloser An der Ertragsspitze standen die Sorten Poseidon und Delfin. Bei der Steigerung der Aussaatstärke reagierte lediglich Delfin mit leicht höheren Erträgen (+ 2 %). Die Fungizidmaßnahme (Abschlussbehandlung) brachte rd. 3 % Mehrertrag (2,5 dt/ha) – bei sehr geringem Krankheitsdruck wohl eher eine physiologische Reaktion. Die Wachstumsregler hatten in dem trockenen Jahr keine ertragssteigernde Wirkung. Im Gegenteil: Der schon früher in Trockenjahren beobachtete negative Effekt von Moddus® zu Hafer in Soloanwendung deutete sich auch in diesem Versuch an (- 1,0 dt/ha zu unbehandelt). Eine deutlich positive Ertragsreaktion wurde durch die Steigerung der N-Düngung erzielt (pro Stufe jeweils 4 dt/ha), wobei alle Sorten ähnlich reagierten. Die Mn-Inkrustierung mit Mobil® erhöhte den Kornertrag bei der Sorte Delfin um etwa
Qualität: Keine der Maßnahmen führte zu einer signifikanten Verbesserung des Hektolitergewichtes (hl-Gewicht) der erntefrischen Rohware. Tendenziell stieg das hl-Gewicht mit steigender Aussaatstärke leicht um 0,4 kg. Bei der Soloanwendung von Moddus® (- 0,5 kg zu unbehandelt) und in der höchsten N-Steigerungsstufe (- 0,7 kg zu Sollwert) deuten sich weitere negative Auswirkungen auf das hl-Gewicht von Hafer an. Alle erwähnten Effekte sind in ihrer absoluten Ausprägung nur moderat und bedürfen der weiteren Überprüfung. Kanadische und britische N-Steigerungsversuche haben bei Hafer jedoch gezeigt, dass ein Zuviel an Stickstoff trotz Steigerung des Kornertrages das hl-Gewicht deutlich sinken lässt und die Lagerneigung erhöht. Es ist daher wichtig, die Lagerneigung der einzelnen Hafersorten genau zu kennen und zu berücksichtigen.
Versuche Nord- und Ostdeutschland
Die Aussaat an den drei nord- und ostdeutschen Versuchsstandorten erfolgte verspätet. Nur die großkörnige Qualitätshafersorte APOLLON wurde in verschiedenen Aussaatstärken und mit Mn-Inkrustierung des Saatgutes in mehrfach wiederholten Parzellenversuchen angebaut. Die ebenfalls geplanten Varianten zur Steigerung der N-Düngung sowie zum Wachstumsregler- und Fungizideinsatz mussten aufgrund der extremen Trockenheit 2018 entfallen. Mit durchschnittlich 46,6 dt/ha war das Ertragsniveau im Durchschnitt der drei Versuchsorte deutlich niedriger als in Merklingsen.
Ertrag: Nicht überraschend ist unter Spätsaatbedingungen der gemessene Ertragsanstieg von APOLLON um 2,5 % in der höchsten Aussaatstärke gegenüber der niedrigsten. Dies war auch mit einer leicht verzögerten Abreife verbunden. Auch in diesen Versuchen bestätigte sich der moderate Ertragseffekt einer Mn-Inkrustierung des Saatgutes mit Mobil® (+ 0,9 dt/ha), der aber relativ betrachtet sogar fast doppelt so hoch ausfiel wie auf dem westfälischen Hochertragsstandort (Tab. 1). Die Mn-Inkrustierung des Saatgutes hatte keinen messbaren Einfluss auf die äußeren Parameter der Haferschälqualität.
Insgesamt überraschte die Sorte APOLLON an den drei Versuchsorten trotz des niedrigen Ertrages mit einem sehr hohen Niveau der Haferkornqualität (siehe Tab. 2).
Versuchsstandort Moosburg
Am bayerischen Standort Moosburg wurde ebenfalls die Sorte APOLLON mit unterschiedlichen Saatstärken (280, 320, 360 und 400 Kö/m²) sowie mit Prüfung der Mn-Inkrustierung des Saatgutes als Streifenanlage mehrfach wiederholt angebaut. Bei einem insgesamt guten Ertragsniveau von 72,4 dt/ha ließen sich dort jedoch keine Effekte der gewählten Einflussgrößen auf den Kornertrag oder die Kornqualität feststellen (siehe auch Tab. 2). Der Versuchsort in Süddeutschland war 2018 weniger von extremen Witterungsereignissen beeinflusst worden als die weiter nördlich und westlich gelegenen Orte des Versuchsprogramms.
Qualität ist umweltstabiler als Kornertrag
Die intensive Beprobung des Versuchsfeldes in Oberbayern erlaubt es jedoch, die Variation der Erträge und Qualitäten sowie ihre Beziehung untereinander bei einer einzelnen Hafersorte auf einem als weitgehend homogen eingeschätzten Feld von rund 14 ha Größe in einem ganz konkreten Einzelfall besser einschätzen zu können (Tab. 3).
Wie die Ergebnisse belegen, sind die Kornqualitätsmerkmale bei Hafer in ihrer Ausprägung deutlich umweltstabiler als der Kornertrag. Das traf hier besonders auf das für die Vermarktung wichtige hl-Gewicht zu, das trotzdem noch immer eine absolute Spannweite von mehr als 4 kg aufwies. Umwelteinflüsse (Jahr, Boden, Klima) sind bei Hafer im Hinblick auf die Höhe des hl-Gewichtes von deutlich größerer Relevanz als die genetisch determinierte Sortenleistung. Die berechneten Korrelationswerte zeigten zwischen dem Kornertrag, dem Spelzengehalt und dem hl-Gewicht eine enge Beziehung. Die Korngröße korrelierte demgegenüber nur schwach mit dem Kornertrag.
Schlussfolgerung
Aus den dargestellten, einjährig durchgeführten Versuchen lässt sich bisher folgendes Zwischenfazit ziehen:
- Hohe Erträge und gute Qualitäten sind bei Hafer auch in Trockenjahren und unter Spätsaatbedingungen möglich.
- Die Aussaatstärke muss an die Sorte, den Anbauort und den Aussaatzeitpunkt angepasst werden, wobei bisherige Standardempfehlungen nicht in jedem Fall zielführend sind.
- Fungizid- und Wachstumsreglermaßnahmen (insbesondere mit Moddus®!) sollten bei Hafer immer situationsangepasst erfolgen.
- Steigende N-Düngung führt unter Hochertragsbedingungen auf guten Böden zu Mehrerträgen, dabei müssen jedoch die erhöhte Lagerneigung und ein absinkendes hl-Gewicht beachtet werden.
- Eine Mn-betonte Inkrustierung des Saatgutes oder ggf. eine Blattspritzung mit Mn-Flüssigdüngern kann unter trockenen Bedingungen zu einer Ertragsstabilisierung beitragen.
- Ein hoher Kornertrag weist bei Hafer in vielen Fällen auf gute Merkmale der Haferschälqualität hin.
Dr. Steffen Beuch und Dipl. Ing. agr. Günter Stemann