Fachgespräch: Spelzgetreide – Markt, Regionalität und Zukunft

Fachgespräch: Spelzgetreide – Markt, Regionalität und Zukunft

Wie sieht der Dinkel- und Emmerspezialist der SchapfenMühle den zukünftigen Markt für Spelzgetreide, vor allem Dinkel, aber auch Emmer? Felix Buchholz, Produktmanager für Hartweizen, Dinkel, Emmer und Einkorn bei der Südwestdeutschen Saatzucht besuchte für die praxisnah den Einkäufer der SchapfenMühle, David Quast.

Felix Buchholz: Seit Beginn des Ukrainekrieges konnte der Dinkelpreis nicht mit den stark gestiegenen Weizenpreisen mithalten. Hinzu kam, dass die Erntemengen an Dinkel fast deutschlandweit hoch ausgefallen sind. Nach meinem Empfinden hat jedoch der Absatz an Dinkelprodukten nicht wesentlich nachgelassen. Das Überangebot an Dinkelrohware sollte demnach allmählich abgebaut werden. Sehen Sie das ähnlich?

David Quast: Bereits die Anbauflächen 2021 haben nicht mehr ganz zum Konsumbedarf gepasst. Das hat sich in 2022 fortgesetzt. Wie Sie schon sagen, lagen die Erträge 2022 allgemein im Getreide über den Erwartungen. Das war unter anderem beim Hafer sehr auffällig. Dinkel ist mittlerweile eine fest etablierte Kultur im Markt. Doch wie in anderen Fruchtarten auch, halten sich Angebot und Nachfrage im freien Markt nicht immer 100 % die Waage. Ob der Überhang an Dinkel zur Ernte 2023 ausreichend abgebaut wird, können wir nicht vorhersagen. Zwar wird teils Dinkelrohware ins Futter gegeben, doch es spielen noch zu viele andere Faktoren eine Rolle.


Felix Buchholz: Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat im Januar 2023 eine Stellungnahme veröffentlicht mit dem Titel „Auch Dinkel kann Allergien auslösen – Wissenstand der Bevölkerung zu Dinkel als Weizenart ist niedrig“. Aus Sicht der gesundheitlichen Risikobewertung sowie aus Transparenzgründen empfiehlt das BfR, bei der Pflicht-Allergenkennzeichnung von Dinkel eindeutig darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um eine Weizenart handelt. Vielen Anbietern von Dinkelprodukten stößt dies sauer auf. Zumal es mittlerweile genügend professionelle Tests gibt*, die zwischen Dinkel und Weizen streng unterscheiden.

David Quast: Die SchapfenMühle vertritt hier einen anderen Standpunkt als das BfR. Man kann die Forderung nach einer zusätzlichen Kennzeichnung als „Weizenart“ schon fast als kleine Katastrophe bezeichnen. Jahrzehntelang haben sich Züchter, Mühlen und Bäcker stark um eine saubere Trennung von Dinkel und Weizen bemüht. Neue Dinkelsorten wurden aufwendig auf Dinkelreinheit geprüft, bevor sie überhaupt für die Vermahlung in Frage kamen. Konsequent wurden sogenannte „atypische Dinkelsorten“ gemieden. In Österreich ist zum Beispiel weiterhin die alleinige Kennzeichnung als „Dinkel“ völlig legitim. Zudem ist unsere langjährige Erfahrung, dass Menschen, die von Zöliakie oder etwaigen Unverträglichkeiten betroffen sind, sehr gut darüber aufgeklärt sind, was für sie verträglich ist und was nicht.


Felix Buchholz: Man liest hin und wieder bereits, Emmer sei „der neue Dinkel“. Neuzüchtungen werden den Emmer zukünftig knapp unter das Ertragsniveau von Dinkel heben. Mittlerweile scheint Emmer in vielen Backmischungen aufzutauchen. Versuchen hier die Anbieter aktiv etwas nachzuhelfen, um den Emmer im Markt publik zu machen oder geht es nur darum, „Urgetreide“ auf die Produkte schreiben zu können?

David Quast: Wir nehmen das Thema Emmer ernst und schreiben es uns nicht nur auf die Fahne, um mit dem Begriff „Urgetreide“ Marketing zu betreiben. Welches Entwicklungspotenzial Emmer hat, werden zukünftige Konsumentenentscheidungen zeigen. Momentan sind wir hier in der Findungsphase und benötigen noch einen langen Atem. Als vor über 30 Jahren Herr Künkele damals mit der Dinkelvermahlung in der SchapfenMühle startete, konnte sich ebenfalls niemand vorstellen, wie bedeutsam Dinkel werden würde.


Felix Buchholz: Meines Wissens bewegen sich die Rohwarenpreise für konventionellen Emmer normalerweise zwischen 260–300 €/t im Spelz (Erzeugerpreis). Mussten Sie auch hier gegenüber Weichweizen die Preise anziehen, damit ihre regionalen Anbauer noch Emmer aussäen anstatt Weizen?

David Quast: Jeder Landwirt ist natürlich auch Betriebswirt. Emmer konkurriert auf den Flächen wie auch der Dinkel unter anderem mit Weizen. Aufgrund der Saatgutkosten und des Lagerrisikos hat man beim Anbau von Emmer einen gewissen Mehraufwand. Diesen versuchen wir weitgehend zu vergüten. Eine genaue Preisfindung für sämtliche Kulturen hängt aktuell aber von zu vielen Rahmenbedingungen ab. Die Entwicklung der Weizen- und Dinkelpreise ist zu ungewiss. Zudem kennen wir nicht einmal die exakten Anbauflächen von Emmer und Einkorn. Die Rohwarenpreise lassen sich demnach nur schwerlich vor der Ernte festlegen. Allerdings können sich die Praxiserträge vom Emmer mittlerweile sehen lassen. Hier bekommen wir Rückmeldungen zwischen 5–7 t/ha. Landwirte mit langjähriger Erfahrung im Emmeranbau haben diesen im Griff und entscheiden selbst, ob sie dabeibleiben oder auch mal ein Jahr aussetzen.


David Quast, Einkäufer der SchapfenMühle, rät aufgrund der unsicheren Marktlage, sich
David Quast, Einkäufer der SchapfenMühle, rät aufgrund der unsicheren Marktlage, sich


Felix Buchholz: Ihre Mühle setzt stark auf regionalen Bezug der Rohwaren. Welche Gebiete betrifft das? Gilt das auch größtenteils im Weizen? Legen Sie dabei den Schwerpunkt auf eine gewisse Sortenauswahl?

David Quast: Die SchapfenMühle macht sich seit jeher für Regionalität stark. Der Vertragsanbau zieht sich über alle Kulturen inklusive Weizen hinweg und beschränkt sich weitgehend auf die Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern. In unserer hausinternen Backstube werden ständig neue Sorten getestet und auf ihre Verarbeitungseigenschaften geprüft. Wir gehen zwar nicht durchgehend mit Sortenempfehlungen raus, wissen aber bei Anlieferungen mit Sortenangaben bereits um die zu erwartenden Qualitäten.


Felix Buchholz: Wir haben in der vergangenen Saison die Talsohle vom bekannten Dinkelzyklus erreicht. Die Anbauflächen sind wahrscheinlich um ca. 15–20 % zurückgegangen. Wenn spätestens im Herbst 2023 nicht genug Dinkel ausgesät wird, könnten wir 2024 wieder das andere Extrem erleben: überzogene Rohwarenpreise. Laut Euronext (MATIF) könnte der Handelspreis für Weizen im September 2024 bei 265 €/t liegen. Demnach sollten für den Dinkel zur nächsten Aussaat Herbst 2023 doch als Erzeugerpreis mindestens wieder 290 €/t geboten werden. Halten Sie das für realistisch?

David Quast: Wenn Ihre Annahmen so eintreffen sollten, dann sind auch die Preise vollkommen realistisch. Solche Voraussagen sind aber vor dem aktuellen weltpolitischen Geschehen, dem Ukrainekrieg, und der Energiekrise nur Spekulationen. Die MATIF-Preise sind nur Momentaufnahmen. Es muss die Ernte 2023 abgewartet werden. Fest steht nur, dass wir für Dinkel etwa 4 – 5 €/dt mehr gegenüber dem Weizen bieten müssten, damit nicht zu viele aus dem Dinkelanbau aussteigen.

Ich würde als Landwirt aktuell versuchen, mich im Anbau so breit wie möglich aufzustellen. Denn man kann seit dem 24. Februar 2022 leider nur schwer vorhersagen, welche Kulturen als die nächsten Gewinner bzw. Verlierer dastehen werden.

Vielen Dank für das Gespräch.


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Märkte oder gar Preise konkret vorherzusagen ist in dieser Zeit extrem schwierig und kaum seriös. In diesem Fachgespräch geht es auch weniger um Preise als vielmehr und Trends und Entwicklungen aus der Sicht des Einkäufers bei der Schapfenmühle. Hält er Emmer für den neuen Dinkel und wenn ja, unter welchen Bedingungen könnte Emmer eine Marktbedeutung bekommen? Welche Bedeutung für den Dinkelmarkt hat die Forderung des Bundesinstitutes für Risikobewertung, Dinkel als Weizenart zu kennzeichnen?