Betriebsreportage Spezialgetreide: Vermarktung eines Nischenproduktes

Das Besondere am Betrieb von Reinhard Hecker im Kraichgau: Er und seine Mitstreiter haben nicht nur ein Faible für alte Getreidearten und Spezialitäten wie Kamut, Emmer, Einkorn, Waldstaudenroggen – diese werden auch mit großem Erfolg produziert. Eine Reportage über Marktnischen, ackerbauliche Tricks und einen langen Atem.

Für die praxisnah vor Ort waren Felix Buchholz und Dr. Anke Boenisch

Waldstaudenroggen
Waldstaudenroggen
Die Böden des 450-Hektar-Betriebes sind beste Lößlehme, die teilweise sehr hügelige Gegend hat ein günstiges Klima und mit knapp 700 mm Jahresniederschlag im Regelfall auch ausreichend Wasser für einen leistungsstarken Ackerbau. Die zunehmenden Frühsommertrockenheiten kann der speicherfähige Boden im Normalfall abpuffern. Die Fruchtfolge besteht zu ca. 50 % aus Hackfrüchten, auf 50 % steht Getreide, teilweise als Vermehrung. Von den Getreideflächen sind wiederum die Hälfte den Spezialgetreidearten Kamut, Emmer, Einkorn, Dinkel, Rotkorn- und Gelbmehlweizen sowie Waldstaudenroggen vorbehalten. Diese werden Im Vertragsanbau für die „Urkornpuristen“ angebaut (www.urkornpuristen.de) und zwar ohne chemischen Pflanzenschutz und ohne Wachstumsregler. Es handelt sich jedoch nicht um Ackerbau nach biologischen Richtlinien, denn mineralischer Dünger wird auf dem Betrieb ohne Viehhaltung sehr wohl eingesetzt, organischer Dünger nicht.

Die erzeugten Produkte dieses Geschäftsbereiches werden im Direktverkauf an ernährungsbewusste Menschen in ganz Deutschland verkauft. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass alle anderen Flächen im Pflanzenschutz konventionell geführt werden.


Wie alles begann

Auf die Frage, wie man denn überhaupt auf die Idee komme, professionell in größerem Rahmen Spezial-Getreide anzubauen, muss Reinhard Hecker nicht lange überlegen: „Wir hatten zunächst einfach Interesse an diesen Kulturen, die ja – vom Waldstaudenroggen abgesehen – alles Weizenarten sind und sich doch so sehr von dem normalen Weichweizen unterscheiden. Und dann haben wir vor 15 Jahren ein zunehmendes Interesse eines Verbrauchersegmentes an Alternativen zu Weichweizen bemerkt. Wir haben diese Marktnische und ihr Potenzial erkannt und erst mal auf wenig Fläche angefangen zu probieren.“ Und in dieser Phase des Ausprobierens, verrät Hecker, sei manchmal viel Lehrgeld bezahlt worden. „Wir durften viele Erfahrungen sammeln“, umschreibt er schmunzelnd. Denn diese Kulturen sind – zumal ohne chemischen Pflanzenschutz – anders zu führen als der Weichweizen. Doch der Erfolg gibt ihm recht: Mittlerweile ist dieses Betriebssegment wirtschaftlich und die Zeiten von „klein/klein“ sind vorbei.


Ein roter LKW mit Kippanhänger parkt vor einem großen Gebäude mit der Aufschrift Urkorn Puristen. (automatisch generiert durch KI)
Urkornpuristen


Jede Weizenart ist anders

Ob Kamut, Emmer, Rotkorn oder Einkorn: Bei allen hat Hecker festgestellt, dass sie vergleichsweise anspruchslos seien, wobei „Einkorn der Anspruchsloseste ist – Einkorn wächst praktisch immer.“ Die Wuchshöhe und das Wuchsverhalten der Pflanzen hat dabei direkte Auswirkungen auf die Verbreitung von vielen Pilzerkrankungen: Je länger die Pflanze (Spitzenreiter Waldstaudenroggen), desto schwerer hat es der Pilz, zur nächsten Blattetage zu springen. Je schneller die Pflanze in die Höhe wächst, desto schwieriger für den Pilz, „mitzuhalten“. Eine Einschränkung macht Hecker jedoch auch, denn bei Rotkorn- und Gelbmehlweizen, aber auch bei Emmer hat er auf diesen Standorten eine Schwäche bei Gelbrost festgestellt.

Positiv auf die Pflanzengesundheit wirken sich zudem die Reihenweiten von 25 cm aus, die für eine gute Durchlüftung sorgen. Spelzgetreide wird zudem weniger von Fusarium-Pilzen befallen.


Hand streicht durch grünes Getreidefeld mit vereinzelter roter Blume. (automatisch generiert durch KI)
Emmer und Mohn


Bekämpfung von Wildkräutern in den Beständen

Den Begriff Unkräuter findet Hecker ebenso nicht zutreffend wie Beikräuter, er bevorzugt den Begriff Wildkräuter und erläutert: „Diese Pflanzen will ich zwar nicht als Konkurrenten zu meinen Kulturpflanzen haben und daher reguliere ich sie konsequent. Aber sie gehören spezifisch in diese Region. Daher habe ich auch kein Problem damit, eine geringe – nicht den Ertrag gefährdende – Zahl an Wildkräutern im Bestand zuzulassen.“ Hecker setzt auf konsequentes Hacken gefolgt von einem Striegelgang: „Striegeln alleine funktioniert hier nicht, da erwischt man nur die sehr jungen Pflanzen. Wenn es gut passt, habe ich schon mit der Hacke mit 16 cm Scharabstand in den Reihen einen nahezu 100%igen Bekämpfungserfolg. Mit dem nachfolgenden Striegeln komme ich noch dichter an die Reihen dran, dabei fallen die dicht an der Reihe stehenden Pflanzen quasi in den Bearbeitungsbereich hinein. Das reicht im Normalfall an Bearbeitungsmaßnahmen aus.“ All dies passiert im Regelfall bis Ende März, danach schließen die Bestände. Früher, so berichtet Hecker, sei er mit dem Striegel manchmal noch ein weiteres Mal in die bereits relativ weit entwickelten Weizenbestände hineingefahren, aber „damit beschädigt man vor allem die Blätter und schafft so Eintrittspforten für Pilze.“


Verhaltene und sehr gezielte Düngung für mehr Standfestigkeit

Da auch auf wachstumsregulierende Maßnahmen in den Spezialgetreiden verzichtet wird, muss eine Stickstoffdüngung sehr verhalten und sehr an das Pflanzenwachstum und die Witterungsbedingungen angepasst erfolgen. Dinkel erhält zum Beispiel in der Summe nur 150 kg N/ha. Drei Gaben sind gesetzt und sie erfolgen startgabenbetont. Zudem werden auf allen Flächen Ertragskarten eingesetzt, die ergänzt werden durch satellitenermittelte Daten zur Grünmasse.

Trotzdem konnte bei dem Feldrundgang stellenweise lagerndes Getreide beobachtet werden. Aber die Pflanzen waren nicht abgeknickt, sondern der Ährenbereich lagerte quasi auf einem „Strohbett“, ohne dass die Halme genickt waren. Hecker sieht so etwas sehr gelassen, denn einerseits verläuft die Abreife dieser Pflanzen normal weiter und andererseits sind die derartig lagernden Teilbestände immer noch gut durchlüftet. Zudem machen sie bei der Ernte keine Probleme, weil die Ähren ausreichend weit vom Boden entfernt sind.


Auch die Ernte läuft anders

Bei den angebauten Spelzgetreiden gilt bei der Ernte: „Energie rausnehmen.“ Das betrifft laut Hecker alle Bereiche vom Dreschkorb (weiter einstellen) bis hin zu Windeinstellung (geringer). „Wir wollen die Körner auf keinen Fall aus den Vesen rausgedroschen haben – das kostet Ertrag und Qualität. Spelzgetreide muss vorsichtig gedroschen werden und wird dann in einem späteren Arbeitsschritt schonend entspelzt.“

Will man die Erntemengen mit denen von Weichweizen vergleichen, muss man die geernteten Kornmengen angeben, also die von den Spelzen bzw. Vesen befreiten Körner. Und hier werden bei Kamut-Weizen im Schnitt der Jahre 2,5–3 t/ha geerntet, bei Einkorn 1,5 t/ha, bei Emmer 3 t/ha und bei Dinkel 4–5 t/ha. Zum Vergleich: Winterweichweizenerträge liegen im Schnitt der Jahre zwischen 8 und 10 t/ha.


Verschiedene Mehlsorten in durchsichtigen Behältern auf einem Holzregal, darunter Madli, Dinkel, Kichererbsen, Buchweizen, Emmer, Einkorn und andere. (automatisch generiert durch KI)
Mehle von verschiedenen Weizenarten und Waldstaudenroggen


Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen das „andere“ Mehl

Und dies aus unterschiedlichen Gründen. Da ist zunächst einmal das Backverhalten, das sich von dem des Weichweizens unterscheidet. Einige der Mehle haben zudem einen intensiveren Geschmack. Viele Menschen, die eine Glutensensitivität haben, vertragen Produkte aus diesen Mehlen zudem besser, weil die Glutenstruktur eine andere ist als bei klassischem Weichweizen. Aber Achtung: Menschen mit einer Glutenallergie, also Zöliakie-kranke, müssen auch hier verzichten, denn hier gilt: Gluten ist Gluten. Auch an WDEIA Erkrankte sollten sich bestenfalls vorsichtig herantasten.


praxiscast.agrar; Link zu Podcast.de


Hat Spezialgetreide eine Zukunft?

Um sein Geschäftsmodell macht sich Hecker keine Sorten, aber: „Das wird eine Marktnische bleiben. Lediglich der Dinkel hat es dort herausgeschafft, für die anderen Spezialgetreide sehe ich das aber nicht großflächig. Regionale Potenziale sind natürlich immer drin.“


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Reinhard Hecker hat eine Passion: alte Getreidearten wie Kamut, Emmer, Waldstaudenroggen und Einkorn. Und er hat sich über Jahre eine erfolgreiche Vermarktung aufgebaut, denn die Produkte werden von ernährungsbewussten Menschen deutschlandweit geschätzt. Diese Spezialgetreide haben im Vergleich zu Weichweizen andere Anforderungen an die Bestandesführung, zumal Hecker auch ohne chemischen Pflanzenschutz auskommen will und muss.