Betriebsreportage: Minimalbodenbearbeitung + wenig chemischer Pflanzenschutz

Betriebsreportage: Minimalbodenbearbeitung + wenig chemischer Pflanzenschutz

Chemischen Pflanzenschutz reduzieren: Das ist nicht immer nur eine agrarpolitische Forderung, sondern oft auch ein Wunsch der Menschen, die von der Landwirtschaft leben. Einer von ihnen ist Christian Hinz, Geschäftsführer der Gut Klein Bünzow GmbH im Landkreis Vorpommern Greifswald. Welche seiner Strategien der letzten 10 Jahre waren erfolgreich – und welche nicht?

Christian Hinz
Christian Hinz
Im Jahr 2012 wurde der Betrieb privatisiert und fast genauso lange ist der studierte Landwirt Christian Hinz dort für den Pflanzenbau verantwortlich. Er bewirtschaftet knapp 2.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, davon ca. 1.300 ha Druschfrüchte, unter nicht ganz einfachen Bedingungen. Denn erstens sind die 500–550 mm Niederschlag/Jahr ungünstig verteilt: Zum Zeitpunkt des Gesprächstermins Mitte Mai war schon seit 5 Wochen kein Tropfen Regen gefallen und auch zuvor war die Bodendurchfeuchtung nur auf wenige Zentimeter beschränkt. Zweitens handelt es sich um teilweise extrem leichte Standorte: Es beginnt mit 10 (zehn!) Bodenpunkten und reicht bis ca. 40 BP (Durchschnitt ca. 30–35 BP).

„Früher wurde hier alles gepflügt, aber eines Tages haben wir fast unverrottetes Rapsstroh hochgeholt. An dem Punkt wurde mir klar, dass hier was grundsätzlich schiefläuft und dass wir unser Bodenmanagement grundsätzlich neu ausrichten müssen!“, erinnert sich Hinz an den Beginn des Arbeitens mit Minimalbodenbearbeitung und Strip-Till auf dem Betrieb. „Wir haben das System Minimalbodenbearbeitung hier gut etablieren können, aber es funktioniert nur über sehr weite Fruchtfolgen mit vielen verschiedenen Kulturen und auch verschiedenen Sorten.“ Wintergerste und Winterweizen stehen hier auch in der Vermehrung, ebenso wie die Weiße Lupine und der Hybridroggen. Hinzu kommen Zuckerrüben, auf über 70 ha Sonnenblumen, zudem Körnermais und auf den sehr leichten Ecken auch Silphie.


In dieser Art funktioniert das System allerdings nur mit Glyphosat

95 % der Ackerfläche liegen im Roten Gebiet, vor einer Sommerung muss also der Anbau einer Zwischenfrucht erfolgen. „Ich kenne keine Zwischenfrucht, die in einem normal-kalten Winter hier sicher abfrieren würde. Irgendwas kommt doch wieder durch“, beschreibt der Landwirt seine langjährigen Erfahrungen.

Im Moment setzt Hinz auf den Flächen einmal Glyphosat ein, gegebenenfalls schon nur auf Teilflächen.

Betriebliches Pflanzenschutzmanagement

  1. Fruchtfolge: Über den Wechsel von Blattfrucht und Halmfrucht und möglichst oft auch von Sommerung und Winterung lassen sich Herbizidmengen reduzieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass Mais, Sonnenblumen und auch Roggen per se wenig Pflanzenschutz benötigen. Christian Hinz legt aber auch besonderen Wert darauf, dass es auf dem Betrieb keine starren Fruchtfolgen gibt. „Man sollte in der Fruchtfolgegestaltung flexibel bleiben, um zum Beispiel auf suboptimale Aussaatbedingungen schnell reagieren zu können. Damit vermeidet man jede Menge Probleme im Nachgang.“
  2. Wahl gesunder Sorten: Das Prinzip gesunde Sorte = weniger Pflanzenschutz ist simpel und effektiv und zieht sich daher hier durch alle Kulturarten – unabhängig davon, ob es sich um Vermehrungen oder Marktfruchtanbau handelt.
  3. Mischungen verschiedener Sorten: Unterschiedliche Genetik bedeutet i. d. R. unterschiedliche Schwächen und Stärken – auch in Bezug auf Krankheiten. Diese Beobachtung hat Hinz zunächst bei einer „Restsaatgutverwendung“ zufällig gemacht und will sie nun gezielt nutzen: 2023 noch ausschließlich im Raps und ggf. dann später auch im Getreide.
  4. Die Sorte muss zum Anbausystem passen: Sortenvielfalt bedeutet auch Risikosplitting z. B. bei Arbeitsmanagement, Witterung und auch Krankheitsbefall. „Wichtig dabei ist, dass die Sorte mit diesem Anbauverfahren zurechtkommt. Es gibt Sorten, die kommen mit Direktsaat einfach nicht klar und sind dann natürlich auch anfälliger gegenüber Krankheiten.“
  5. Keine „Minimengen“: Herbizide müssen nach Ansicht des Landwirtes mit maximaler Effektivität eingesetzt werden, um Resistenzbildungen zu vermeiden. Der richtige Applikationszeitpunkt und eine optimal eingestellte Technik seien dabei ebenso wichtig wie ausreichend hohe Mengen.
  6. Es hat sich herausgestellt, dass Reihenhacken als Ergänzung zum chemischen Pflanzenschutz hier keine Option ist, obwohl der Rübenwuchs deutlich verbessert wurde. Die Technik kam jedoch bei dem hohen Anfall organischer Masse an ihre Grenzen und das Bandspritzverfahren wurde bei dem unebenen Boden zu ungenau.
  7. Reduzierung von Pflanzenschutz kann auch längerfristige Probleme bereiten. „Wir haben hier vorrangig mit Trespe, Hundskerbel und Storchschnabel zu kämpfen. Letzterer ist allerdings ein „hausgemachtes“ Übel, denn wir haben versucht, bei Raps auf Metazachlor und Pendimethalin zu verzichten, weil diese Wirkstoffe die Pflanzen deutlich stressten. Die Alternativmaßnahme hatte jedoch eine Wirkungslücke bei Storchschnabel, der seine Chance auch gleich genutzt hat“, blickt Hinz zurück. Die Strategie jetzt lautet: zwei Maßnahmen im Nachauflauf mit Belkar™ Power Pack (Picloram + Halauxifen-methyl + Aminopyralid), was der Raps gut verträgt und auch der Storchschnabel ist wieder auf dem Rückzug.
  8. Nutzen neuester Technologien: Große Hoffnung setzt Christian Hinz in das Verfahren des Spotsprayings, bei dem chemischer Pflanzenschutz nur punktuell genau dort eingesetzt wird, wo auch wirklich Unkräuter oder -gräser stehen. Dazu arbeitet er mit einem Dienstleister zusammen, der zunächst mit Drohnen den Unkraut/-grasbesatz erfasst und dann aus diesen Daten Applikationskarten erstellt.

Drohneneinsatz
Drohneneinsatz
Das als Versuch angelegte Projekt erfasst 2023 zunächst 200 Hektar gesamt, verteilt auf Zuckerrüben, Sonnenblumen und Weiße Lupine. „Im Prinzip können diese Daten von jeder modernen Spritze verarbeitet werden. Es ist nicht notwendig, sich hier komplett neue Technik anzuschaffen. Ich werde das Ganze drei Jahre lang testen und wirtschaftlich bewerten. Letztlich müssen Kosten und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Ich habe große Erwartungen an diese Technik. Ganz speziell auch bei unserem Storchschnabelproblem, denn mit der zweiten Behandlung könnte man ganz gezielt und punktuell nur noch den Storchschnabel bekämpfen: Das wäre hocheffektiv, für die Zuckerrüben weniger stressig und die Wirkstoffmenge würde sinken. Auch im Raps kämen wir mithilfe dieser Technik mit deutlich geringeren Glyphosatmengen aus, ohne dass unser Resistenzmanagement darunter leiden würde. Ich sehe für viele Betriebe eine echte Option in diesem Verfahren, weil man nicht selbst in teure Technik investieren muss.“


Kurz vor Redaktionsschluss bekamen wir die Nachricht, dass durch den Einsatz der Drohnenaufnahmen von den 100 ha Zuckerrüben des Versuches (3. Nachauflaufbehandlung) nur 20 ha tatsächlich gespritzt werden mussten. Eine enorme Einsparung an Pflanzenschutzmitteln!

Fazit

„Ich glaube nicht, dass das Ackerbausystem dieses Betriebes ohne einen einmaligen Einsatz eines Totalherbizides funktioniert. Solange wir dieses aber einsetzen dürfen, halte ich an diesem System fest, – bei dem ich versuche, mit wenig Herbiziden auszukommen. Bei einem vollständigen Verbot müsste ich wieder „Metall“ einsetzen. Das täte mir in der Seele weh, denn der Boden ist jetzt sehr aktiv und stabil, kann Wasser viel besser aufnehmen und auch halten als früher. Das ist auf diesen Böden sehr, sehr wichtig für zufriedenstellende und sichere Erträge.“

Das Gespräch führten Martin Rupnow und Dr. Anke Boenisch. Bilder: Hinz, praxisnah, Syngenta


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Der hier vorgestellte Betrieb bewirtschaftet rd.  2.000 Hektar Landwirtschaftliche Nutzfläche, davon ca. 1.300 ha Druschfrüchte, unter nicht ganz einfachen Bedingungen. Denn erstens sind die 500-550 mm Niederschlag/Jahr ungünstig verteilt und zweitens sind die Böden teilweise  extrem  leicht (9 Bodenpunkte).  Der studierte Landwirt und Betriebsleiter Christian Hinz legt daher großen wert darauf, auf den Pflug zu verzichten. Über die Jahre wurde der Boden durch die Bewirtschaftung mit Minimalbodenbearbeitung aktiver, stabiler und er kann das Wasser besser aufnehmen und speichern als zu Zeiten des Pflügens. Zurzeit funktioniert dieses System zwar nur mit einem einmaligen Einsatz eines Totalherbizides, aber trotzdem arbeitet Hinz daran, mit wenig chemischen Pflanzenschutz auskommen.


Seine Pflanzenschutzstrategie in der Übersicht:

  • Fruchtfolgegestaltung: Wechsel von Halm- und Blattfrucht, Sommerung und Winterung sowie Einsatz von Kulturen, die per se wenig Pflanzenschutz benötigen(Mais, Roggen, Sonnenblumen)
  • Wahl gesunder Sorten
  • Wahl von Sorten, die mit Minimalbodenbearbeitung gut zurechtkommen.
  • Mischen von Sorten
  • Herbizide nicht in Minimengen einsetzen (Resistenzvermeidung), immer zum optimalen Zeitpunkt bei optimal eingestellter Technik (Effektivitätssteigerung)
  • aufgrund betrieblicher (!) Bedingungen Verzicht auf Hacken als ergänzende Maßnahme
  • Bei der Herbizidmittelwahl immer darauf achten, dass das Mittel keine Schwächen hat -  in der Vergangenheit führte dies zum Aufkommen des Problemunkrautes Storchschnabel in Raps.
  • Nutzen neuer Technologien: Als Versuch für 3 Jahre wird Drohnentechnik in Kombination mit Spot-Spraying eingesetzt, was schon zu erfreulichen Mitteleinsparungen in Zuckerrüben führte.