Blühpatenschaften: ein stetiger Prozess mit viel Organisation

Blühpatenschaften: ein stetiger Prozess mit viel Organisation

Das Angebot von Blühpatenschaften hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Wie viel Aufwand steckt dahinter und was muss man für einen nachhaltigen Ausbau beachten? Matthias Bohrßen berichtet im Gespräch mit Stefan Ruhnke von den Erfahrungen mit dem Projekt CalenbergBlüht in Niedersachsen.

Von links: Helge Hische, Gregor Spiegel und Matthias Bohrßen; zum Vergrößern bitte anklicken
Von links: Helge Hische, Gregor Spiegel und Matthias Bohrßen; zum Vergrößern bitte anklicken
Zusammen mit zwei Kommilitonen aus Göttingen startete der Agrarwissenschaftler 2021 ein Patenschaftsprojekt: Pro Blühpatenschaft müssen mindestens 50 m² für 1,30 Euro/m² auf einer Fläche übernommen werden, man startete am 26.4.2021 mit 6 Hektar.


Stefan Ruhnke: Was ist Eure Grundmotivation bei CalenbergBlüht?

Matthias Bohrßen: Zunächst geht es darum, die Artenvielfalt in der heimischen Gemarkung zu fördern, indem man Rückzugsmöglichkeiten und Nahrungsangebote für Insekten und das Wild schafft. Danach kommt die Kommunikation: Hier ist es uns wichtig, mit den Leuten auf die Flächen zu gehen und ihnen die Belange der Landwirtschaft im direkten Gespräch näherzubringen. Die Blühpatenschaften bieten hier eine gute Möglichkeit, dem „Endnutzer“ den Wert einer solchen Ökosystemleistung zu verdeutlichen und auch, dass dieser letztlich mit Kosten verbunden ist.


Was waren Eure ersten Schritte, um diese Idee in die Tat umzusetzen?

Als Erstes ging es um die Auswahl der richtigen Saatgutmischung. An zweiter Stelle kam die Gestaltung der eigenen Website. Diese sollte professionell aussehen, die Leute sollten gleich vermittelt bekommen, dass wir es mit unserem Projekt ernst meinen. Daher haben wir uns Hilfe holen müssen, obwohl das ziemlich teuer war. Bei beiden Punkten sind wir in Vorleistung gegangen, auch um eine Infrastruktur aufzubauen, über die die Blühpaten mit uns in Verbindung treten können.

Ein weiteres Mittel der Wahl war die lokale Zeitung, hinzu kamen die Sozialen Medien. Von Imagefilm über Flyer und Plakate – wir haben nichts ausgelassen.



Ihr habt für Euer Projekt eine eigene Blühmischung zusammengestellt: Warum?

Wir wollten in unserer Mischung hauptsächlich heimische Arten verwenden, die ein Nahrungsangebot für die hiesigen wild lebenden Insekten bieten. Eine Liste des NABUs lieferte hier eine erste Orientierung. Bei der Zusammenstellung unserer Mischung haben wir uns an der Mischung viterra® BLÜHZAUBER orientiert. Diese Mischung überzeugte uns durch ihre lange Blühdauer und Vielfältigkeit. Mit Hilfe des Anbieters dieser „Grundmischung“, P.H. Petersen Saatzucht, haben wir diese weiter an unsere Bedürfnisse angepasst. Unter Berücksichtigung der Verfügbarkeiten und Mischungsverhältnisse kamen wir für die im Jahr 2021 ausgesäte Mischung auf insgesamt rund 45 ein- und mehr­jährige Arten.


Wie stellt Ihr sicher, dass es auf den Flächen auch wirklich immer blüht?

Wie bei jeder anderen ackerbaulichen Kultur kann man den Erfolg nicht garantieren. Die vielen verschiedenen Arten in den Mischungen geben aber eine gewisse Sicherheit, dass immer etwas blüht. Zudem haben wir aufgrund der Böden und Wasserverfügbarkeit allgemein gute Voraussetzungen. Ackerbaulich sollte man sich aber auch absichern: Eine vernünftige Bodenbearbeitung und die Aussaat mit der Drillmaschine sind hier Pflicht.


Sind die Blühflächen in die Fruchtfolge eingebunden?

Die Flächen sind nicht in die Fruchtfolge eingebunden. Ziel war es, möglichst viele kleine Habitate zu erschaffen, die als Rückzugsmöglichkeit genutzt werden können. Das bringt letztlich mehr als ein großer Schlag. Zum Teil wurden Flächen in gut einsehbare Bereiche gestellt, andere Flächen wurden extra abseits angelegt, damit diese auch als Rückzugsort genutzt werden können. Mit Blühflächen entlang der Gräben und in spitzen Ecken auf dem Acker lassen sich ackerbaulich unattraktive Bereiche sinnvoll nutzen. Der Mix macht es hier.

Ab dem 1. Oktober dürfen die Mischungen zwar abgemäht werden, wir haben sie aber stehen lassen, damit sie über Winter als Rückzugsmöglichkeit genutzt werden können. Die Mischungen werden dann vor Aussaat umgebrochen und neu bestellt. Wir bieten auch mehrjährige Patenschaften an. Hier dünnt sich natürlich die Anzahl der Arten im zweiten Jahr aus, dafür entstehen hier langfristigere Rückzugsräume.


Werden die Patinnen und Paten über den Stand „ihrer“ Flächen informiert?

CalenbergBlüht
CalenbergBlüht
Sie erhalten regelmäßig einen Newsletter. Im ersten werden die Flächen ausgewiesen, das heißt über Google Maps wird die Liste erzeugt, wo die Flächen zu finden sind. In den Newslettern werden auch Inhalte geteilt, was gerade in der Landwirtschaft wichtig ist: von der anstehenden Pflanzenschutzmaßnahme bis hin zur anstehenden Ernte.

Wir haben auch eine Radtour zu den Flächen mit unseren Paten unternommen und ihnen einiges dazu erzählt, was es auf unseren anderen Flächen zu sehen gibt.

Posts auf Instagram gehören selbstverständlich auch dazu. Da man bei der täglichen Arbeit in der Nähe der Flächen unterwegs ist, bekommt man auch so einiges mit – seien es die Ricke mit ihrem Kitz, die gerade durch den Blühstreifen ziehen oder die Bienen des Imkers unseres Vertrauens, die über die Fläche summen. Informationen von unserem bekannten Imker sind sehr beliebt. Neben den Updates erhalten die Paten auch eine Urkunde und ein Glas Honig. Mit dem Honig schließt sich hier sehr gut der Kreis, weil man genau weiß, wo er letztlich herkommt.


Landwirtschaft und Biodiversität bietet ja auch ein gewisses Konfliktpotenzial. Kennt Ihr das Problem auch?

Man macht sich mit so einem Projekt nicht nur Freunde. Hier gibt es auch durchaus Gegenwind. Z. B. kam der NABU auf uns zu und erkundigte sich nach der Sinnhaftigkeit zur Anlage der Blühstreifen. Die Dialogbereitschaft ist hier von entscheidender Bedeutung. Als unsere Gegenüber gemerkt haben, dass wir die Sache ernst nehmen und uns auch verbessern wollen, ging das Ganze in ein konstruktives Miteinander über.

Angesprochen wurden wir auch immer wieder auf die Prämienzahlungen, die wir für die Anlage von Blühflächen erhalten. Wir sind aber nicht darauf aus, „Doppelförderungen“ für die Flächen zu erhalten. Daher spenden wir einen prämienähnlichen Betrag für einen guten Zweck in unserer Region.


Was waren Eure Beobachtungen hinsichtlich der Biodiversitätsleistung?

Die Auswahl der Mischung hat sich hier klar bewährt. Hier hat von Ende Mai bis zum ersten Frost immer etwas geblüht, sodass auch Berufskollegen auf uns zugekommen sind und nach der Mischung gefragt haben. Man hat auch deutliche Unterschied zwischen verschiedenen Mischungen gesehen. Bei den „einfachen“ Mischungen waren hin und wieder mal eine Biene oder ähnliches zu sehen, wohingegen in der CalenbergBlüht-Mischung richtig die Post abging! Wir haben jetzt angefangen, diese Beobachtungen wissenschaftlich zu überprüfen.

Eine unserer Imkerinnen hat sich auch riesig darüber gefreut, dass ihre Bienen auch in der trachtarmen Zeit etwas gefunden haben. Außerdem sagte sie, dass ein vielfältiges Trachtangebot förderlich für die Gesundheit des Bienenvolkes sei.


Wie war das Feedback bisher und wie geht es weiter?

Die Rückmeldungen der Patinnen und Paten waren richtig gut, besonders weil man sich mit ihnen vor Ort auseinandergesetzt hat. Neben der Akquise weiterer Kunden wollen wir die Blühmischung weiter verbessern. In diesem Jahr kommen wir jetzt auf ca. 60 Arten mit einem zunehmenden Anteil heimischer Arten.

Schwieriger als die Patinnen und Paten zufriedenzustellen ist es, der heimischen Fauna gerecht zu werden. Es ist ein stetiger Prozess. Aber nichts zu tun, bringt uns hier auch nicht weiter.

Fotos: Bohrßen, Ruhnke