FINKA ist ein Projekt zur Förderung der Biodiversität von Insekten durch den Verzicht auf chemisch-synthetische Insektizide u. Herbizide, in dem konventionell und biologisch geführte Betriebe eng zusammenarbeiten. praxisnah diskutierte mit Jana Tempel (Projektcoach), Thorsten Kirchner (Biobetrieb) und Jürgen Nülle (konven. Betrieb) über ihre Erwartungen und Erfahrungen.
Je ein konventionell und ein ökologisch wirtschaftender Betrieb aus einer Region ergeben eine Betriebspartnerschaft, 30 solche Partnerschaften umfasst FINKA seit der Aussaat im Herbst 2020. Der konventionelle Betrieb verzichtet auf einer Fläche von 1–3 Hektar über 5 Jahre auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Insektiziden und Herbiziden. Dieser Fläche steht eine Vergleichsfläche gegenüber, auf der betriebsüblich gewirtschaftet wird. Der Einsatz von Fungiziden, Wachstumsregulatoren sowie Düngemitteln ist nicht reglementiert. Auch der Ökobetrieb bringt eine (zusätzliche) Vergleichsfläche mit ein. Mit Anbauberatern werden ackerbauliche Fragen diskutiert, die Veränderungen der Insektenwelt und der Ackerbegleitflora wird wissenschaftlich dokumentiert und auch die betriebswirtschaftlichen Parameter werden analysiert.
praxisnah: Was genau will FINKA erreichen?
Tempel: Wir wollen die Frage beantworten: „Inwiefern wirkt sich der Verzicht auf Insektizide und Herbizide positiv auf die Ackerbegleitflora und die Insektenwelt aus? Und was bedeutet diese Maßnahme in wirtschaftlicher Hinsicht?“ Die Effekte können beispielsweise im Roggen anders aussehen als in Kartoffeln – auch wirtschaftlich! Wir wollen zudem die Stellschrauben identifizieren, mit denen sich ein Verzicht auf Insektizide und Herbizide ermöglichen lässt: Aussaattermine, Bodenbearbeitungsmaßnahmen, Sortenwahl etc. „Ganz oder gar nicht“! ist also nicht unser vorrangiges Ziel.
Kirchner: Ein Beispiel: Wie spät kann ich eine Sorte aussäen und welche Saatstärken sind möglich, um so gegen den Ackerfuchsschwanz zu arbeiten? Auch die Unkrautunterdrückungsfähigkeit einer Sorte ist wichtig.
Tempel: Es ändert sich auch die Perspektive vieler Projektpartner schon jetzt: Der „saubere“ Acker tritt in den Hintergrund, es stellt sich vielmehr die Frage „Wie viel Unkraut oder auch Insektenbefall kann ich tolerieren?“
Welchen Nutzen sehen Sie für sich in einer Teilnahme?
Kirchner: Über den Verband Naturland gibt es ein sehr gutes Netzwerk. Ich wollte aber immer auch darüber hinaus ein Netzwerk aufbauen. Das Kennenlernen anderer Betriebe war für mich ein ganz wichtiger Aspekt für die Teilnahme. Als ich von FINKA gelesen habe, fühlte ich mich sofort angesprochen. Als Projektpartner habe ich gleich an Jürgen Nülle gedacht. Hier müssen beide Partner offen für Neues sein und die Chemie muss stimmen – man muss es ja 5 Jahre miteinander aushalten.
Nülle: Netzwerke helfen immer! Zudem finde ich das Thema Insektenschutz spannend und dass diese ganze Diskussion jetzt mal sauber in der Praxis überprüft wird. Und ich finde es wichtig, mal Richtung Bio zu schauen, weil ich nur an Erfahrung gewinnen kann. Im Biolandbau beschäftigt man sich viel mehr mit dem Geschehen auf dem Acker und auch dem im Boden. Mir war es auch wichtig, dass dieses Projekt sehr viel für das Image der gesamten Landwirtschaft bringt: Die Öffentlichkeitsarbeit ist intensiv und es wird immer klar dargestellt, dass eine Zusammenarbeit zwischen beiden Anbaurichtungen gut funktionieren kann. Ich finde es zudem praktisch, dass man sich hier in einem sicheren Rahmen ausprobieren kann und nicht gleich in die Technik investieren muss. Zudem sind es ja erst einmal nur wenige Hektar, für die man zudem eine Aufwandsentschädigung bekommt.
Warum verzichtet man im FINKA-Projekt nicht auch auf Fungizide, die haben ja u. U. auch einen Einfluss auf Insekten?
Tempel: Natürlich kann es sein, dass auch Fungizide einen Effekt auf Flora und Fauna haben. In der Projektentwicklung lautete der Wunsch seitens der Landwirte allerdings, den Einsatz von Fungiziden weiterhin zu gestatten. Um auch ohne Fungizide hohe Erträge zu realisieren, müssten wahrscheinlich auch zusätzliche Maßnahmen wie z. B. lichtere Bestände umgesetzt werden, um mit dem Pilzbefall zurechtzukommen. Wir sind gespannt, inwiefern sich schon der Verzicht auf Insektizide und Herbizide positiv auf die Ackerbegleitflora und die Insektenwelt auswirkt.
Nülle: Ich würde besonders bei den Kartoffeln nicht auf Fungizide verzichten wollen, denn ich habe großen Respekt vor Phytophthora.
Kirchner: Auch im biologischen Landbau werden Fungizide – natürlich keine chemischen – eingesetzt.
Nach welchen Kriterien werden die Testflächen ausgewählt?
Tempel: Die Flächen konventionell/FINKA und konventionell/betriebsüblich müssen sehr gut miteinander vergleichbar sein (Boden, Kulturart, Vorfrucht etc.). Die Biofläche ist ein zusätzlicher Vergleich zur FINKA-Fläche, hier sollte dieselbe Kulturart stehen bei ähnlichen Standortbedingungen. Das fördert die Absprache anstehender Maßnahmen und die Kommunikation der Partnerbetriebe untereinander. Zudem kann man an der Biofläche schön die Jahreseffekte auf den Insektenbestand ablesen.
Provokant gefragt: Ist FINKA eine vorgezogene Umstellungsberatung?
Tempel: Es ist überhaupt nicht das Ziel, die konventionellen Betriebe „umzudrehen“ auf Bio. Es geht vielmehr um eine Kombination aus beiden Systemen unter Betrachtung der Wirtschaftlichkeit – das ist ganz wichtig! Die Politik greift dem ja gewissermaßen schon vor. Der Verzicht bzw. die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln wird sowohl politisch als auch gesellschaftlich gefordert.
Wie „ökologisiert“ muss ein konv. Betrieb bereits sein, damit er ohne Insektizide und Herbizide auskommen kann?
Tempel: Nur einfach alles wegzulassen ist natürlich keine Option – die Regulation muss über die schon angesprochenen Stellschrauben wie Saatzeiten, Sortenwahl, Bodenbearbeitungsmaßnahmen, aber auch Fruchtfolge funktionieren.
Nülle: Ich habe auf den besseren Böden zzt. Kartoffeln, Winterweizen, Raps, Winterweizen und auf den schlechteren Böden Mais, Dinkel, eventuell Sommergetreide und Blühflächen. Ich denke jetzt darüber nach, die Fruchtfolgen zu erweitern.
Gibt es schon erste Erkenntnisse hinsichtlich der Insektenpopulationen?
Tempel: Wir können nach einem Jahr natürlich noch keine belastbaren Aussagen treffen, das wäre unseriös.
Für mehr Infos über das FINKA-Projekt www.facebook.com/FINKAProjekt www.instagram.com/finka_projekt/ |
Was hat Ihnen das Projekt denn bisher gebracht und wo sehen Sie Optimierungsbedarf?
Nülle: Ich wende schon viel von dem an, von dem ich in der Versuchsparzelle gesehen habe, dass es funktioniert. Ich habe oft beobachtet, dass Herbizide die Kulturpflanzen stressen. 2022 hat sich die Maßnahme Striegeln/Hacken positiver auf das Pflanzenwachstum ausgewirkt als die Herbizidmaßnahme! Außerdem hat sich mein Kenntnisstand in Sachen Insekten und Beikräuter verbessert.
Kirchner: Ich bin etwas enttäuscht, dass aufgrund von Corona die Präsenztreffen teilweise nicht stattfinden konnten. Ich konnte deutlich weniger Kontakte knüpfen als erwartet. Für dieses Jahr ist aber ein Vernetzungstreffen aller teilnehmenden Betriebe geplant.
In einem Punkt waren sich alle Teilnehmenden einig und können das auch sicher für die Gesamtzahl der Betriebspartnerschaften sagen: Schon durch die positiven Effekte der Zusammenarbeit der Projektpartner und die intensive Öffentlichkeitsarbeit ist das Projekt ein Erfolg. Es ergeben sich – unabhängig von den finalen wissenschaftlichen Ergebnissen – am Ende für jeden Vorteile
Das Gespräch führten Stefan Ruhnke und Dr. Anke Boenisch
Fotos: FINKA, praxisnah
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Je ein konventionell und ein ökologisch wirtschaftender Betrieb aus einer Region ergeben eine Betriebspartnerschaft, 30 solche Partnerschaften umfasst FINKA seit der Aussaat im Herbst 2020. Der konventionelle Betrieb verzichtet auf einer Fläche von 1–3 Hektar über 5 Jahre auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Insektiziden und Herbiziden. Dieser Fläche steht eine Vergleichsfläche gegenüber, auf der betriebsüblich gewirtschaftet wird. Der Einsatz von Fungiziden, Wachstumsregulatoren sowie Düngemitteln ist nicht reglementiert. Auch der Ökobetrieb bringt eine (zusätzliche) Vergleichsfläche mit ein. Mit Anbauberatern werden ackerbauliche Fragen diskutiert, die Veränderungen der Insektenwelt und der Ackerbegleitflora wird wissenschaftlich dokumentiert und auch die betriebswirtschaftlichen Parameter werden analysiert.
Während der ökologisch wirtschaftende Betriebsleiter seine Vorteile bei der Teilnahme an dem Projekt vor allem in dem Ausbau seines Netzwerkes sieht, sind es für den konventionell wirtschaftenden Landwirt auch und vor allem ackerbauliche Erfahrungen und der praktische Nutzen, die ihn zu einer Teilnahme bewegt haben. Für beide nicht zu unterschätzen ist der gesellschaftliche Imagewert derartiger Projekte.
Bei allem ökologischen Gewinn: Der konventionell wirtschaftende Landwirt Nülle würde auf Fungizide zumindest im Kartoffelanbau nicht verzichten wollen. Bei Herbiziden sieht er aber im Hacken und Striegeln eine gute Alternative.