Moderne Mähdrescher haben heute ein theoretisches Leistungsvermögen von 100 Tonnen Getreide pro Stunde. Doch nur ein Bruchteil davon wird in der Praxis auch tatsächlich erreicht. Martin Rupnow, Fachberater für Mecklenburg-Vorpommern, analysiert die Gründe und zeigt an einem Betriebsbeispiel, wie man die Ernteeffizienz optimieren kann.
Zu Beginn der Mähdrescherentwicklung konnte es sich wohl kaum jemand vorstellen, dass ein Mähdrescher einmal mehr als 100 Tonnen Getreide innerhalb einer Stunde ernten könnte. Theoretisch, denn tatsächlich setzen diese Hochleistungsmaschinen ihr Potenzial nur zur Hälfte auf den Feldern um.
Mangelndes Erntemanagement kostet Effizienz, Qualität – und Geld
Analysiert und vergleicht und man bislang etablierte Mähdruschverfahren, wird klar, dass bei einem mangelnden Erntemanagement die höchste Leistungsklasse der Mähdrescher nicht dieselbe Leistung aufweisen kann, die mit kleineren Modellen bei einem gut aufeinander abgestimmten Erntemanagement erzielbar wäre. Um die richtige Mähdrescherkapazität für jeden einzelnen Betrieb zu kalkulieren, reicht es nicht, ausschließlich die vorhandene Druschfläche und mögliche Ertragserwartung aufzuzeigen. Wichtiger ist es, das komplexe Zusammenspiel von Einflussfaktoren – wie beispielsweise pflanzenbauliche Maßnahmen – mit einem rationellen Erntemanagement zu berücksichtigen.
Ziel bei der Planung der Kapazitäten für die Ernte muss es sein, eine hohe Qualität mit möglichst geringem Kostenaufwand unter den gegebenen technischen Voraussetzungen und bei den jährlich unterschiedlichen meteorologischen Bedingungen zu erreichen. Zu berücksichtigen ist, dass man sich über die Entscheidungen für Art und Umfang der benötigten Ernte und der Konservierungstechnik langfristig festlegt. Zudem müssen die Kapazitäten sowohl in trockenen als auch in feuchten Erntejahren funktionieren. Im Durchschnitt der Jahre stehen während der Getreide-, Leguminosen- (u. a. Ackerbohnen, Körnererbsen) und Rapsernte nur zwischen 160 und 200 Druschstunden zur Verfügung. Neben trockenen und „normalen“ Erntebedingungen ist auch künftig mit extrem feuchten Kampagnen wie in den Jahren 2000, 2001, 2007, 2010, 2011 und 2017 zu rechnen.
Erntemanagement ist immer auch ein Kompromiss
Das witterungsbedingte Ernterisiko kann durch hohe Drusch- und Konservierungskapazitäten gemindert werden, was jedoch mit höheren Kosten verbunden ist. Dieser Sachverhalt macht eine erfolgreiche Produktionsvorbereitung mit einer Kapazitätsanalyse für Mähdrusch und Trocknung unerlässlich. Auf der einen Seite müssen technische Entscheidungen längerfristig vor der Ernte getroffen werden, auf der anderen Seite stehen operative Entscheidungen zu Druschbeginn, Druschdauer und Inbetriebnahme der Belüftungstrocknung oder der Kühlung kurzfristig an. Die Witterung ist zwar nicht beeinflussbar, bestimmt aber maßgeblich den Ernteverlauf.
Der Anbau verschiedener Kulturen mit unterschiedlichen Druschterminen verlängert die Erntezeit und entzerrt Arbeitsspitzen. Werden innerhalb einer Kulturart Sorten mit unterschiedlicher Reife eingesetzt, lassen sich günstige Erntefenster besetzen. Dabei spielt besonders bei Weizen die Fallzahlstabilität für die erreichte Qualität eine entscheidende Rolle. Fallzahlstabilere Sorten wie SU JONTE oder Ponticus bei Winterweizen sind hinsichtlich des Erntetermins „geduldiger“ und verringern das Risiko von Preisabschlägen erheblich. Zudem müssen gefährdete Winterweizensorten bei Eintritt der Druschreife zügig geerntet werden, auch wenn dadurch die Rapsernte unterbrochen wird, – was wiederum Kosten bei der Rapsernte verursachen kann.
Kurzfristig gespart ist oft langfristig bezahlt
Die hohe Kapitalbindung durch den Kauf eines Mähdreschers führt oft zu geringen Mähdruschkapazitäten. Zwar schonen diese kurzfristigen Einsparungen auf der einen Seite die Liquidität der Betriebe, andererseits sinkt langfristig die Rentabilität durch zu geringe Mähdruschkapazitäten. Eine geringere Maschinenausstattung kann in Erntejahren mit guten Witterungsbedingungen ausreichen, führt jedoch in der Mehrzahl der Jahre zu großen Umsatzverlusten, denn ein verzögerter Ernteabschluss bringt auch den gesamten Betriebsablauf in Gefahr. Spät geerntete Felder können nicht rechtzeitig bearbeitet und in „Ruhe gelassen“ werden, zu spät geerntete Partien verlieren an Qualität etc. Eine höhere Schlagkraft verringert diese Risiken, Kosten und Verluste durch hohe Kornfeuchten und eine verlängerte Erntezeit werden gesenkt. Demgegenüber stehen jedoch zusätzliche variable und fixe Maschinenkosten.
Der Drescher darf beim Abtanken nie stehen bleiben!
Es muss selbstverständlich sein, die Transportkapazität genau auf die Mähdrescheranzahl und Mähdrescherleistung abzustimmen. Dem Mähdrescher hat sich alles anzupassen! Der Aufbau der Transportkette hängt von den betrieblichen Bedingungen und Möglichkeiten ab. Ob jedes Transportfahrzeug das Erntegut vom Mähdrescher abfährt oder ob ein Überladewagen das übernimmt und auf die am Feldrand stehenden Fahrzeuge übergibt, muss in jedem Unternehmen kostenmäßig kalkuliert werden. Das Abbunkern der Mähdrescher im Stand ist ökonomisch jedenfalls nicht zu vertreten! Umgangssprachliche Faustregel: Eine „Pinkelpause“ kostet 8 Euro!
Ertrags- und Qualitätsverluste kosten massiv Geld!
Ertrags- und Qualitätsverluste in der Ernte haben einen sehr hohen Stellenwert. Als Berechnungsbeispiel dient ein fiktiver Betrieb mit 2.000 ha Druschfläche (Anbauverhältnis: Winterweizen 46 % 8 t/ha, Wintergerste 22 % 8 t/ha, Winterraps 21 % 4,2 t/ha [wird in der Berechnung in GE umgewandelt], Winterroggen 11 % 7 t/ha) und einer Erntemenge von 15.948 Getreideeinheiten. Das mathematische Model, die Grundlage der nachfolgenden Abbildungen, nimmt den Winterweizen als zuletzt zu erntende Kultur an.
Hierbei werden folgende Parameter zugrundegelegt:
- Qualitätsabschlag von A-Weizen zu Futterweizen: 40 €/t
- Lohn Mähdrescherfahrer: 15 €/h, 25 % Lohnnebenkosten
- Der Mähdrescherpreis generiert sich aus einem einzigen Modell, dem CLAAS LEXION 8900 (13,8 m Schneidwerk), Listenpreis von 1.088.510 € (1).
- Bei der Berechnung der Druschkosten wird der Wiederverkaufswert und die Nutzungsdauer von 10 Jahre berücksichtigt.
- Feldeffizienz: 60 %
(Alle weiteren Parameter können beim Autor erfragt werden.)
Wie viele Mähdrescher sind für diesen Betrieb optimal? Bei nur einer Maschine für die gesamte Ernte reichen die optimalen Druschstunden (180 h) nicht aus. Die Ertragsverluste und vor allem Qualitätsabschläge lassen die Erntekosten pro Tonne (34,6 €/t) stark ansteigen (Abb. 1 und 2, S. 20–21). Diese Entscheidung für nur einen Drescher ist irrational und ist allenfalls bei dem Produktionsziel Futterweizen berechtigt. Das andere Extrem wäre eine Maschinenausstattung mit drei Dreschern. Zwar treten hier keine Ertrags- und Qualitätsverluste auf, jedoch steigen die Maschinenkosten rapide an und lassen so die Erntekosten pro Tonne auf 31,8 € steigen (sog. Risikoaverse Entscheidung).
Die optimale Maschinenanzahl kann mithilfe einer Zielwertsuche ermittelt werden. Der optimale Maschinenbesatz mit Erntekosten von 19,6 €/t liegt in diesem Beispiel rechnerisch bei 1,8 Mähdreschern.
Die Erntekosten setzen sich aus Druschkosten, Ertrags- und Qualitätsverlusten zusammen (Abb. 2) Bei einer optimalen Maschinenausstattung fallen ausschließlich Maschinenkosten an. Der Einfluss der Ertrags- und Qualitätsabschläge ist umso größer, desto geringer die Maschinenausstattung ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Fruchtfolgegestaltung und vor allem die Staffelung der Reifegruppen einer Kulturart auf den Mähdrusch abgestimmt sein muss.
Fazit
Die Mähdruschkapazität ist für die Effektivität der Ernte wichtig, aber nicht alleine entscheidend. Berücksichtigt man auch die anderen Einfluss nehmenden Parameter wie Sorte, pflanzenbauliche Maßnahmen, Erntemanagement etc., kann die Leistung der Mähdrescher noch besser ausgeschöpft werden. Dabei muss die Planung der richtigen Mähdrescherkapazität auch widrige Erntebedingungen mit berücksichtigen. Auch eine gute Ausbildung und hohe Motivation der Mitarbeitenden kann erheblich zu einer Optimierung der Effektivität beitragen.
Eine wesentliche Rolle bei der Planung der Mähdrescherkapazität spielt die Betriebsstruktur. Es macht einen gravierenden Unterschied, ob ein Betrieb sein Getreide mit 25 % Feuchte ohne Qualitätsansprüche für die Biogasanlage verwendet oder ob Elite- bzw. Qualitätsweizen erzeugt werden soll.
Eine höhere Mähdrescherkapazität bringt nicht nur in der Ernte Vorteile mit sich, sie sorgt auch dafür, dass alle Nachfolgearbeiten reibungsloser ablaufen können und hier weniger vermeidbare Kosten entstehen.
1 Ermittlung über CLAAS Konfigurator https://configurator.claas.com/configurator/ Stand: 28.12.2022
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Eine suboptimale Ernteorganisation kosten Zeit und Geld, denn sie nutzt die technischen Kapazitäten nicht voll aus.
Ziel bei der Planung der Erntekapazitäten muss es sein, den Kostenaufwand einerseits gering zu halten, andererseits aber eine hohe Qualität zu erreichen und die Technik voll auszulasten. Und das alles bei jährlich unterschiedlichen Wetterbedingungen - es muss funktionieren, egal ob das Wetter bei der Ernte zu feucht oder zu trocken ist. Dabei muss man immer auch Kompromisse eingehen.
Nicht außer Acht zu lassen ist auch die geschickte Sortenwahl: Innerhalb einer Kulturart hilft es, Sorten unterschiedlichen Druschterminen und mit stabilen Fallzahlen zu wählen.
Gewarnt wird auch vor einer „Untermaschinisierung“: Zu geringe Kapazitäten führen in einigen Jahren zu massiven Verzögerungen – auch im nachvollgenden Betriebsablauf. Schlimmstenfalls kommen einige Schläge nicht mehr rechtzeitig vor dem Regen zum Zuge – mit erheblichen Verlusten in Qualität und Ertrag. Auch verringert sich die Zeitspanne für die Ruhephase des Bodens und der anschließenden Bodenbearbeitung. Hier geht richtig Geld verloren.
Fazit: Die Mähdruschkapazität ist wichtig, aber nicht allein entscheidend.