
Sojabohnen (Glycine max) in Deutschland haben es langsam, aber sicher aus der Nische geschafft. Die Anbaufläche hat sich in den letzten 10 Jahren fast verdreifacht, aber wir bleiben nach wie vor Meilen von einer vollständigen Selbstversorgung entfernt. Um das enorme Potenzial der Sojabohnen zu nutzen, ist die Reifeeinstufung und die korrekte Bestimmung des Erntezeitpunktes enorm wichtig. Dr. Olena Sobko erklärt, worauf es dabei ankommt.
Nach Angaben des Julius-Kühn-Institutes könnten auf gut 750.000 ha Ackerfläche hierzulande Sojabohnen für die Körnernutzung erfolgreich kultiviert werden. Dabei ist es wichtig, für einen Standort die geeignete Sorte auszuwählen.
Der optimale Erntezeitpunkt ist entscheidend
Bei der „Königin der Leguminosen“ kommt der Reifeeinstufung einer Sorte eine wesentliche Bedeutung zu. Die sorgfältige Bestimmung der Reife ist ein entscheidender Schritt im Anbauprozess, um den optimalen Zeitpunkt für die Ernte festzulegen.
Die Reife der Sojabohne entscheidet darüber, …
- ob die Sorte überhaupt die Druschreife erreicht,
- wann geerntet werden kann,
- in welchem Zustand (Lager?) gedroschen wird,
- wie viel geerntet wird,
- welche Qualität das Erntegut hat.
Der Reifeprozess von Soja
Zunächst muss man den Reifeprozess kennen und verstehen. Dieser lässt sich in verschiedene Stadien unterteilen, die jeweils durch spezifische morphologische und physiologische Merkmale gekennzeichnet sind. Der Reifeprozess wird durch eine Kombination aus genetischen Faktoren und Umweltbedingungen beeinflusst. Der natürliche Ablauf ist über bestimmte Gene und deren Interaktion festgelegt, Umweltstress jedoch kann die Dauer einzelner Stadien beeinflussen.
Der Wuchstyp hat zudem entscheidenden Einfluss auf den Reifeablauf. Man unterscheidet 3 Typen:
1. Determiniert (begrenzt): gleichzeitig volle Reife bei allen Hülsen inkl. Körner – fast keine Verzögerungen (über 80 % aller Sorten in Deutschland)
2. Indeterminiert (unbegrenzt): Körner sind trocken und werden reif (hart), Hülsen und Stängel erreichen typische Farbe und bleiben oft noch „nass“
3. Semideterminiert: Zwischentyp, Reifeausprägung ist abhängig von der Witterung
Die Reifephase kann durch Umweltfaktoren wie Temperatur, Lichtverhältnisse, Wasserversorgung und Nährstoffversorgung beeinflusst werden. Warme, trockene Bedingungen beschleunigen die Reifung, kühle und feuchte Bedingungen können sie verzögern.
Während des typischen Reifeprozesses durchlaufen die Körner eine Reihe von physiologischen Veränderungen:
- Der Wassergehalt der Samen sinkt.
- Es werden Stärke und Proteine gebildet.
- Die Samen werden hart und trocken und erreichen die Druschreife.
Offizielle Reifegruppeneinteilungen
International werden Sojasorten in 13 Reifegruppen (RG) von 000 (sehr frühreif) bis X (tropisch) eingeteilt. Als Basis dient hier die CHU (Crop Heat Units). Bei der Kalkulation der CHU wird angenommen, dass bei wärmeliebenden Kulturen das Wachstum erst ab 10 °C Tages- und 4 °C Nachttemperatur beginnt und das Temperaturoptimum für das Wachstum bei 25–30 °C liegt. Als Orientierung können auch die FAO-Zahlen für die Reifeeinstufung Mais dienen: 000 = FAO 240–260, 00 = FAO 260–300 und 0 = FAO 300–320.
In Europa gibt es für die Sojabohne keine einheitliche und klar definierte Eingruppierung der Sorten. Es wird z. T. die Vegetationsdauer von Aussaat wiedergegeben oder es werden die Wachstumsgradtage gezählt. Hier hat sich in der Praxis aber das „Nuller“-System durchgesetzt.
In Deutschland steht die RG 0 mit ca. 15 %, die RG 00 mit 35 % und die RG 000 mit ca. 50 % im Feld.
Über die Zulassung sowie Anbauempfehlung von den Sojabohnensorten entscheiden in Deutschland nach wie vor das Bundessortenamt (BSA) und die Landesstellen für die Landwirtschaft. Diese operieren entsprechend den Wertprüfungsrichtlinien (Noten 1–9) und den Richtlinien
UPOV. Die Definitionen sind relativ sperrig, aber wichtig zu erwähnen (Tab. 1).
Bei der Reifebestimmung nur auf die Hülsen achten!
Das beschriebene Klappern der Bohnen in den Hülsen hängt stark von der Tageszeit ab und kann je nach Sorte unterschiedlich ausgeprägt sein kann. In der Regel tritt es erst bei der Druschreife auf, wenn die Bohnen vollständig reif sind. Man sollte jedoch schon die Vollreife sicher erkennen, die je nach Wetterbedingungen etwa 7–12 Tage vor der Druschreife liegt (McGuire, J., 20142). Ganz wichtig: Bei der Reifebonitur achtet man auf die Körnerreife und nicht auf den Reifezustand des Stängels und/oder der Blätter (Abb. 1). Denn in manchen Jahren und auch sortenbedingt kann eine Reifeverzögerung des Strohs auftreten, bei der zwar das Korn bereits druschreif ist, der Stängel jedoch noch grün (Abb. 2).
Auch Lager führt zur Reifeverzögerung, weil zu wenig Luft in dem Bestand zirkuliert, abgefallene Blätter die darunterliegenden Pflanzen bedecken.
Zudem kann ein sogenannter Stay-green-Effekt zu Reifeverzögerungen von Stängel oder Blatt führen. Dies kann nach Trockenheit verstärkt auftreten, wenn die Pflanze während der Korneinlagerung reduziert hat und der Hülsenabwurf bzw. die Kornreduzierung bereits vor dem Regen stattfand. Die Sojabohne bildet nach einer Reduzierung der Hülsen und Blüten durch Stress keine neuen Blüten oder Triebe, wenn die Blühphase beendet wurde. Der Vorteil des Stay-green-Effektes ist, dass – solange die Pflanze intakt und grün ist und assimilieren kann – Ertrag aufgebaut und Protein eingelagert wird. Nachteilig ist, dass sich die Druschfähigkeit und -geschwindigkeit verschlechtern.
Die Beschreibende Sortenliste gibt mit der Eigenschaft „Reifeverzögerung des Strohs“ (1–9) also wichtige Hinweise auf das Reifeverhalten einer Sorte. Je höher die vergebene Note, desto größer ist der Unterschied zwischen Hülsenreife und Abreife des Strohs/der Blätter.
- Die Reifeverzögerung des Strohs beschreibt das Verhältnis zwischen Hülsen/Korn- und Strohreife.
- Werden Sorten unterschiedlicher Reife angebaut, sollte die Bonitur reifegruppenspezifisch vor der Ernte erfolgen => alle Sorten einer Reifegruppe zu einem Termin.
- Bei gleicher Reife von verschiedenen Sorten kann es zu Abreifeunterschieden des Stängels oder sogar zur Bildung von Nebentrieben kommen.
Die Reife der Sojabohne hängt stark vom Jahr und vom Standort ab. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Sorten zwischen verschiedenen Reifenoten „springen“. Eine ziemlich genaue Einschätzung des Reifegrads erhält man nur durch Erfahrung in unterschiedlichen Umweltbedingungen und über mehrere Jahre hinweg.
Einige Sojazüchter in DACH-Länder verwenden das Boniturschema (Tab. 2). Die Reife (Stadium R8) ist erreicht, wenn 95 % aller Hülsen ihre typische Farbe (gelb, hellbraun, dunkelbraun) erreicht haben und trocken sind (Abb. 1 und Abb. 3).
So gehen Sie vor
Bei der Reifebonitur liegt das Augenmerk nur auf den Hülsen. Wenn die Sojapflanzen die physiologische Reife erreicht haben (Blätter, Stängel und Hülsen werden gelb/braun, Blätter fallen ab), können Sie mit der Reifekontrolle beginnen.
Arbeitsreihenfolge:
- Immer in das Sojafeld hineingehen und möglichst viele Pflanzen betrachten; ein schneller Blick im Vorbeifahren oder nur eine Bonitur des Feldrandes reicht nicht aus.
- Komplette Pflanze anschauen! Bei Unklarheit/Unsicherheit von fünf bis acht typischen Pflanzen repräsentative Hülsen aus möglichst allen Internodien pflücken, öffnen und die Kornreife kontrollieren.
- Wenn ein Teil des Feldes aufgrund der Bodenverhältnisse oder anderer Ungleichmäßigkeiten im Bestand noch nicht ganz so weit ist wie der Rest, könnte man etwas abwarten, falls die Wetterprognose ein paar sonnige und trockene Tage in Aussicht stellt. Bei der Entscheidung spielt natürlich auch der Anteil der „nassen“ grünen zu den druschreifen Feldflecken eine Rolle. Die Fahrgassen können dabei gerne „übersehen“ werden, da hier die Randpflanzen stehen, die mehr Licht und Nährstoffe bekommen, und daher oft grüner sind als der Rest). Aber Vorsicht: Wird der optimale Erntezeitpunkt überschritten, erreichen viele Pflanzen schon Kornfeuchten von unter 10 % – und das kann Ertragseinbußen von bis zu 20 % mit sich bringen!
Fazit
Die Bestimmung der Reife von Soja erfolgt durch eine Kombination aus visuellen Betrachtungen und ständiger Beobachtung der Wetterbedingungen. Das Erkennen der vollreifen Pflanzen sichert eine optimierte Ernte und maximale Qualität der Sojabohnen. Es ist ratsam, regelmäßig die Pflanzen zu kontrollieren und die festgelegten Kriterien systematisch anzuwenden, um den optimalen Erntezeitpunkt zu bestimmen.
Verwendete Quellen:
JKI Karte
McGuire, J., 2014: Soybean Growth and Development.Iowa State University, PM 1945, July 2014
Reifebonitur bei Sojabohnen : https://www.sojafoerderring.de/wp-content/uploads/2024/02/Reifebonitur-bei-Sojabohnen_Soja-Fachinfo.pdf
SOYBEAN / [editors] Jegor Miladinović, Milica Hrustíć. Miloš Vidić : [translated from Serbian by Vladimir Škorić.Tanja Vunjak-Kvaić]. - Novi Sad: Institute of Field andVegetable Crops ; Bečej : "Sojaprotein", 2011 (Novi Sad : AMB grafika). - 510 str. : lustr. ;29cm ISBN 978-86-80417-26-4
The soybean: botany, production and uses /2010 edited by Guriqbal Singh; CAB International. 507cm. ISBN 978-1-84593-644-0 (alk. paper)
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Bei der Sojabohne ist es für Qualität und Ertrag entscheidend, den optimalen Erntezeitpunkt sicher zu bestimmen.
Der Reifeprozess wird von genetischen und Umweltfaktoren beeinflusst. Die Einteilung in Reifegruppen kann helfen, die richtige Sorte für den Standort auszuwählen,. Aber es kommt häufig, aufgrund der Witterung oder aufgrund des Sortentyps, vor, dass Hülsen und restpflanze sehr unterschiedlich abreifen. Daher ist die Reifebestimmung nicht ganz einfach, die hier in dem Beitrag Schritt für Schritt erläutert wird.
Auch sollte die Ernte sollte sorgfältig geplant werden, um Qualität und Ertrag zu maximieren.