Der Leguminosenmarkt braucht einen Transformationsprozess!

Der Leguminosenmarkt braucht einen Transformationsprozess!

Stefan Beuermann, Koordinator für Massenströme für das Leguminosennetzwerk bei der Ufop, möchte mit seiner Arbeit im Rahmen der Eiweißpflanzenstrategie dazu beitragen, einen regional nachhaltigen Leguminosenanbau in Deutschland aufzubauen. Im Gespräch mit Stefan Ruhnke und Dr. Anke Boenisch erläuterte er, wie dieser Transformationsprozess aussehen könnte. (Bildquelle Hauptbild: WWF)

praxisnah: Wie kamen Sie dazu, sich schwerpunktmäßig mit der Leguminose zu beschäftigen?

Stefan Beuermann: In meinen Jahren als Berater im Pflanzenschutz konnte ich feststellen, dass in der Fruchtfolge ein enormes Einsparungspotenzial bei Herbiziden und Fungiziden schlummert, wenn noch eine Blattfrucht mit aufgenommen wird. Dabei ist es wichtig, dass der Landwirt diese auch vermarkten kann. Hier kommt man früher oder später auf die Leguminosen.


Wo sehen Sie die Möglichkeit, den Leguminosenanbau in Deutschland voranzubringen?

Wir müssen den Leguminosenmarkt so transformieren, dass der Markt auch ohne staatliche Förderungen nachhaltig funktioniert. Niedersachsen hat das größte Anbaupotenzial für Leguminosen, wenn man Bayern mit der Soja an dieser Stelle ausklammert. In Niedersachsen können Ackerbohne, Körnererbse, Lupine und auch Soja angebaut werden. Gleichzeitig haben wir hier die größten Viehbestände. Leguminosen für die Humanernährung sind zwar interessant, aber die Musik spielt bei der Tierernährung. Über 90–95 % gehen ins Futter. Ich habe mal den Spruch gehört „die Sojabohne schmeckt am besten, wenn sie einmal durch das Schwein gegangen ist“. Wenn wir das Futtermittelgeschäft nicht haben, dann können wir die Entwicklung eines heimischen Leguminosenmarktes nicht langfristig finanzieren. Wichtig für eine nachhaltige Marktentwicklung ist, dass man sich nicht in eine Abhängigkeit von den Subventionen begibt.


Wie müsste die Zahlung von Subventionen erfolgen, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern?

Mit einheitlichen Förderungen aus Landesmitteln über 5–6 Jahren aus der zweiten Säule der GAP könnten verlässliche Produktionsbedingungen geschaffen werden. Hierdurch würden Anreize geschaffen, die am Markt benötigten Mengen und Qualitäten regional zu produzieren, die bisher über günstige Importe bedient werden. Die Förderung würde den Transformationsprozess am Anfang unterstützen und die Verantwortung von den Schultern der Landwirte nehmen.

Abschließend bedarf es nach 5–6 Jahren einer Erfolgskontrolle, ob die gesteckten Ziele erreicht wurden.


Was muss für einen erfolgreichen Transformationsprozess berücksichtigt werden?

Aktuell ist es sehr einfach, international große einheitliche Partien zu beziehen. Es bedarf lediglich einer Mail und schon macht sich ein Frachtschiff mit 60–70 Tsd. Tonnen Soja aus Übersee auf den Weg. Dann läuft das hier erst durch die Ölmühle, dann wird die Ware verteilt und weg ist sie. Die Umstellung auf heimische Erzeugung bringt einen deutlich höheren Aufwand für Logistik und Lagerung mit sich. Hier ist vorausschauende Planung gefragt. Zum Teil bestehen auch noch mehrjährige Abnahmeverpflichtungen seitens der Importhändler. Auf Importe würden wir auch zukünftig angewiesen sein, aber in wesentlich geringerem Umfang.


Wie viel importieren wir eigentlich aktuell?

Aktuell liegt diese Eiweißlücke bei ca. 70 %, die durch Importe gedeckt werden muss. Soja hat dabei in der EU mit 35 Mio. Tonnen den größten Anteil. Von diesen Mengen gehen aktuell ca. 10 % nach Deutschland, zzgl. importiertes Sojaschrot.


Was macht die Sojabohne als Eiweißpflanze so attraktiv?

Bezüglich der Eignung als Futtermittel liefern Soja und Weizen in Kombination das günstigste Spektrum an essenziellen Aminosäuren, die in der Schweine- und Geflügelhaltung benötigt werden. Soja hat darüber hinaus den Vorteil, dass die Preise an der Börse notiert sind, wodurch die Preisfindung transparenter wird.

Sie wurde von allen Leguminosen bisher züchterisch auch am meisten bearbeitet. Durch neue Genetik aus Kanada erschließen sich hier neue Anbaugebiete.


Welche Möglichkeiten gibt es, mit heimischer Ware die Eiweißlücke zu schließen?

70–80 % Selbstversorgungsgrad wären aktuell realistisch, wenn die Preise stimmen. Soja ist dabei nicht die einzige Lösung.

Unsere heimischen Leguminosen haben ein Defizit hinsichtlich schwefelhaltiger Aminosäuren. Tatsächlich ist es aber so, dass sich Erbsen, Bohnen und Lupinen besser in der Fütterung eignen, als landläufig bekannt ist. Die entsprechenden Informationen finden Landwirte in den Praxisinformationen auf der Homepage der UFOP. Im Mischfutterwerk ist die Ergänzung durch synthetische Aminosäuren ohnehin Standard.

In welchen Eigenschaften müssen heimische Leguminosen besser werden?

Punkte wie Wassereffizienz, Korn/Stroh-Verhältnis und gleichmäßige Abreife sind wichtige Punkte, die es auch zukünftig zu berücksichtigen gilt. Das sind so alles Dinge, die wir bei Mais und Weizen als Selbstverständlichkeiten ansehen. Man muss hier auch eventuell züchterisch neue Wege gehen, um züchterische Rückstände aufzuholen und sich den ändernden Klimabedingungen anzupassen.


Ein Transformationsprozess beinhaltet auch einen sicheren Produkt-Absatz. Wie könnte man diesen langfristig ermöglichen?

Leguminosen für die Humanernährung schaffen aktuell sichere Absatzmöglichkeiten zu guten Preisen. Allerdings gelten hier auch besondere Anforderungen bzgl. möglicher Kontaminationen mit Allergenen. Dazu müssen neue Logistik- und Lagerstrukturen geschaffen werden. Eine Lösung wäre, Lagermöglichkeiten an kleineren Standorten zu erhalten, die ansonsten aus Gründen der Wirtschaftlichkeit geschlossen werden würden und diese dann nur noch für Ackerbohne, Erbse, Soja und Co. zu nutzen. An den notwendigen Investitionen müssten sich die Verarbeiter beteiligen. Wer besondere Qualitäten haben möchte, muss auch bereit sein, dafür zu bezahlen.

Für die Sicherstellung der geforderten Mengen und Qualitäten bietet sich eine zentrale Erfassung an. Hier kann die Ware bereits aufgeteilt werden, wodurch die Lebensmittelindustrie verlässlich die geforderten Qualitäten geliefert bekommt und etwaige Abgänge direkt als Futter verwertet werden können.

Zentralisierung ist hier ein wichtiger Punkt, um durch Optimierung der Logistik die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Emsland Group® als Beispiel für die Erbse und Fava-Trading für die Ackerbohne sind wichtige Vorreiter, die sich um die Organisation der gesamten Wertschöpfungskette kümmern.

Saatgut- und Sortenverfügbarkeit sind auch wesentliche Punkte für den erfolgreichen Anbau von Leguminosen. Ernteerzeugnisse aus Nachbau bringen gerade bei Ackerbohne oft nicht die Qualitäten, die der eigentlichen Sorte entsprechen. Bei der Lupine ist der Nachbau aus guten Gründen generell unzulässig. Da das Saatgut das teuerste Betriebsmittel beim Anbau von Leguminosen darstellt, bietet eine Produktion durch einen Saatbauverband vor Ort die Möglichkeit, Kosten zu sparen. Ansonsten sollte die lokale Vermehrungsorganisation rechtzeitig über den künftigen Bedarf informiert werden.

Haben wir eine schlechte Ernte, haben wir auch eine schlechte Saatgutverfügbarkeit. Frühzeitige Planung bzgl. der benötigten Mengen ist daher enorm wichtig.


Welche Vorteile würde eine zentrale Erfassung bei der Futtermittelproduktion mit sich bringen?

In Niedersachsen z. B. ist die Verarbeitung direkt vor Ort, ebenso wie die Tierbestände. In dieser Struktur und den ackerbaulichen Bedingungen sehe ich ein enormes Potenzial. Neben regionalen Wertschöpfungsketten würden auch regionale Stoffkreisläufe entstehen. Seit Generationen werden die Stärkekomponenten von regionalen Landwirten geliefert. Diese könnten ebenso die Eiweißkomponenten anbauen und an die Mischfutterwerke vermarkten. Zusätzlich trifft der Rückgang der Tierhaltung die Landwirtschaft hier am härtesten. Mit den Leguminosen würden wir hier die Weichen stellen, dass auch zukünftig ein gutes Betriebseinkommen generiert werden kann, was diese Lücke ein Stück weit füllen würde. Überschüsse aus dieser Produktion könnten in andere Bundesländer „exportiert“ werden.


Wenn wir weiter entlang der Wertschöpfungskette schauen, welche Rolle spielt bei dieser Strategie der Lebensmitteleinzelhandel?

Der Lebensmitteleinzelhandel ist hier der wichtigste Mitspieler. Dieser hat schon lange erkannt, dass er seine CO2-Bilanzen verbessern kann, wenn er tierische Produkte bevorzugt, bei deren Erzeugung heimische Leguminosen verfüttert wurden. Das enorme Einsparungspotenzial besteht hier aufgrund der Landnutzungsänderung in den aktuellen Anbaugebieten der Sojabohne, die es im Rahmen der Entwaldungsverordnung zu berücksichtigen gilt. Die Umwandlung von Wald zu Ackerland hat den größten Anteil an den Treibhausgasemissionen, die durch den Sojaanbau freigesetzt werden.

Neuerdings wird auch in afrikanischen Ländern, wo die Bevölkerung hungert, Soja produziert und nach Europa gefahren und dafür werden auch Naturräume umgeackert. Verdienen tun daran nicht die Einheimischen, sondern ausländische Konzerne: Das ist moderner Kolonialismus! Das zu verhindern, indem wir den Bedarf an Importen verringern, ist eine Aufgabe, die eigentlich im gesamtgesellschaftlichen Interesse liegen müsste.

Zusätzlich wird mit der Green-Claims-Richtlinie seitens der EU die derzeitige Verwendung von Nachhaltigkeitszertifikaten verschärft, um gegen Greenwashing vorzugehen. Hierdurch wird die Verwendung importierter Ware zusätzlich unattraktiver, was regional erzeugte Leguminosen interessanter machen wird.

Nachhaltigkeitsverantwortliche des Lebensmitteleinzelhandels haben sich bereits seit Jahren damit beschäftigt und wären hier wichtige Partner, ohne die der Absatz nicht möglich wäre. Außerdem ist der Einzelhandel meist für fachliche Argumente zugänglich und erkennt schnell die Vorteile der Markttransformation.


Herr Beuermann, vielen Dank für das Gespräch!

Aktuelle Hemmnisse im Leguminosenanbau

  • mangelnde Markttransparenz (Vermarktung nur mit vorab geschlossenen Verträgen)
  • geringe züchterische Bearbeitung und damit verbundene Ertragsschwankungen
  • Möglichkeiten günstiger Importe
  • unzureichende Förderung
  • geringe Lagerkapazitäten für heimische Leguminosen
  • Probleme mit zunehmen den Extremwetterereignissen (Trockenheit und Hitze)
  • Vorteile einer regionalen Eiweißproduktion
  • nachhaltiger Landbau in Deutschland mit hohen gesetzlichen Standards: Sicherheit für die gesamte Wertschöpfungskette
  • Bei rückläufigen Tierbeständen schaffen Leguminosen eine zusätzliche Einkommensquelle.
  • Vorfruchtwert: Steigerung der Fruchtfolge-Resilienz
  • Einsparung von Pflanzenschutzmitteln
  • deutlich bessere Umweltbilanz gegenüber Importware u. a wegen Landumnutzung und sozialer Ausbeutung in den Anbaugebieten importierter Eiweißpflanzen

    Die Union zur Förderung von Öl- und Eiweißpflanzen (UFOP) hatte im Jahr 2019 die „10+10-Strategie“ auf den Weg gebracht. Bis 2030 sollen Raps und Sonnenblumen sowie die Hülsenfrüchte Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen und Soja gemeinsam mit den Futterleguminosen einen Anteil von jeweils 10 Prozent an der deutschen Ackerfläche erreichen. Dies entspricht jeweils etwa 1,2 Millionen Hektar (www.ufop.de).

    Das LeguNet wurde zum Jahresbeginn 2023 um 16 Stellen für Regionalmanagerinnen und Regionalmanager auf Länderebene erweitert. Diese werden im Laufe des kommenden Winters zahlreiche Veranstaltungen organisieren und durchführen, um Landwirte und Unternehmen, die große Mengen Körnerleguminosen verarbeiten, zusammenzubringen. (www.legunet.de).


Schnell gelesen (Kurzfassung):

Beuermann betont das Einsparungspotenzial bei Herbiziden und Fungiziden durch den Anbau von Leguminosen in der Fruchtfolge. Das Ziel ist ein nachhaltiger Leguminosenanbau in Deutschland, und eine Verringerung der Importe aus Übersee, die vor allem aufgrund der damit verbundenen Landumnutzung extrem klimaschädlich sind, aber auch die dortige Bevölkerung in vielerlei Hinsicht benachteiligen.

Da über 90% der Leguminosen in die Tierernährung fließen, ist nach wie vor das Futtermittelgeschäft am bedeutendsten auch mit Blick auf einen Transformationsprozess.

Die wichtigsten Eckpunkte für einen Transformationsprozess des Leguminosenmarktes sind:

  • Keine langfristige Abhängigkeit von Subventionen: Einheitliche Förderungen über 5–6 Jahre könnten die nötigen Anreize schaffen. Nach dieser Periode sollte eine Erfolgskontrolle stattfinden.
  • Schaffung regionaler Wertschöpfungsketten und Optimierung der Logistik. 
  • Lebensmitteleinzelhändler spielen eine Schlüsselrolle in der Förderung regionaler Leguminosen und könnten dazu beitragen, Importe zu reduzieren. Die Green-Claims-Richtlinie der EU verstärkt den Fokus auf Nachhaltigkeit.
  • Die Saatgutverfügbarkeit muss sichergestellt werden und dies bedeutet eine sehr frühe Planung
  • Die Eiweißlücke in Deutschland beträgt etwa 70%, größtenteils durch Importe gedeckt, vor allem von Soja. Beuermann betont die Attraktivität der Sojabohne aufgrund ihres Aminosäureprofils und transparenter Preisfindung. Er sieht eine realistische Selbstversorgung von 70–80%, wobei heimische Leguminosen wie Erbsen und Bohnen ebenfalls genutzt werden sollten. Niedersachsen ist hier neben Bayern das Bundesland mit dem größten Potenzial.

Fazit

Eine regionale Eiweißproduktion würde nicht nur die Umweltbilanz verbessern, sondern auch die Landwirtschaft in Deutschland stärken.

Insgesamt unterstreicht das Interview die Herausforderungen und Chancen eines nachhaltigen Leguminosenanbaus in Deutschland, mit dem Ziel, die Abhängigkeit von Importen zu verringern und die Landwirtschaft zu stärken.