Winterforum Magdeburg: Vielfalt aufs Feld

Unter dem Motto „Vielfalt“ präsentieren Saaten-Union und Vereinigte Hagel bei ihren insgesamt 14 bundes­weiten gemeinsamen Winterforen interessante Themen, die Alternativen im Ackerbau aufzeigen.

gute besuchte Winterforumsveranstaltung; Bild Hahn
gute besuchte Winterforumsveranstaltung; Bild Hahn
Saaten-Union Geschäftsführer Marcus Iken stellte bei seiner Begrüßung vor dem gut gefüllten Saal im Magdeburger Herrenkrug die Bedeutung des Mottos klar: „Schauen wir uns die Wetterentwicklung an: Wir haben gerade zwei Jahre mit neuen Hitzerekorden und Dürre hinter uns. Eine Umgestaltung der Landwirtschaft ist unvermeidbar und unumkehrbar – klimatische, aber auch politische und gesellschaftliche Tatsachen gebieten das!“

Wie diese Umgestaltung funktionieren kann, darauf haben die deutschen Züchter eine Antwort, fährt er fort: „Genetische Vielfalt!“ Iken betont, er teile den Fatalismus und die Schreckensszenarien mancher Branchenvertreter nicht. Die Umgestaltung der Landwirtschaft werde nicht mit einer Extensivierung einhergehen.


Schemmel; Bild: Hahn
Schemmel; Bild: Hahn
Produktionsrisiko steigt

Peter H. Schemmel, Bezirksdirektor Vereinigte Hagelversicherung, untermauerte Ikens Blick auf die Wetterextreme mit Fakten: „Wir beobachten die Verschiebung der phänologischen
Prozesse und mehr Extremereignisse. Das lässt das Produktionsrisiko steigen. Hagel, Herbststürme und Dürren sind aus den letzten drei Jahren im Gedächtnis geblieben. Auch Spätfröste haben teils große Schäden verursacht.“

Angesichts der beiden letzten Jahre mit starker Trockenheit stellte Schemmel die indexbasierte Dürre-Versicherung des Unternehmens vor. Zahlungen erfolgen hier nicht aufgrund einer Schadensmeldung, sondern bei Er­reichen bestimmter Indizes: Wenn die Bodenfeuchte und der durchschnittliche Ertrag des Landkreises festgelegte Grenzwerte unterschreiten. In vielen europäischen Ländern seien solche Versicherungen bereits Standard und würden über verschiedene Ins­trumente gefördert, erläuterte Schemmel. Die politischen Zeichen stünden gut, dass der Steuersatz für diese Versicherung in Deutschland sinkt und sie dadurch erheblich günstiger würde.


Beuch; Bild Nordsaat
Beuch; Bild Nordsaat
Hafer in die Fruchtfolge

Eine Smartphone-Umfrage unter den Gästen des Forums zeigt deutlich: Praktisch alle Teilnehmenden hielten das Thema Vielfalt für sehr wichtig bzw. wichtig. Beinahe zwei Drittel hielten dabei eine Fruchtfolgeerweiterung für geboten.

Dr. Steffen Beuch vom Saaten-Union Gesellschafter Nordsaat stellte daraufhin eine Kultur vor, die sich hervorragend für eine solche Fruchtfolgeerweiterung eignet: den Hafer. Mit seinen gesunden Inhaltsstoffen passe diese Kultur hervorragend in die Orientierung der Verbraucher hin zu modernen, gesunden, abwechslungsreichen und umweltverträglichen Lebensmitteln. Das zeige sich in dem Anstieg der Verarbeitungsmengen auf 150 % seit dem Jahr 2000. Aber: In der gleichen Zeit sei die Anbaufläche um 47 % zurückgegangen. „Der Selbstversorgungsgrad liegt in Deutschland nur bei 70 %. Die Schälmühlen, allesamt regionale, kleinere Unternehmen, importieren also Hafer. Gleichzeitig sind sie sehr innovativ und haben deutsche Haferlebensmittel zu einem Exportschlager gemacht!“ „Die Qualitätsanforderungen sind überschaubar“, fährt Beuch fort. Bei Hafer lassen sich mit einem hohen Ertrag die Qualitätsanforderungen der Mühlen mit hoher Wahrscheinlichkeit am besten erfüllen.“

„Allerdings“, muss Beuch eingestehen, „schwanken die Erträge in der Praxis seit Langem stark und unterscheiden sich dramatisch von Versuchsergebnissen z.B. aus den LSV. Hier ist viel Wissen verlorengegangen, seit Hafer noch in allen Regionen angebaut wurde. Außerdem wird er heute oft stiefmütterlich behandelt, steht zum Beispiel auf schlechten Standorten. Da kann man dann auch keine Höchsterträge erwarten.“

Insgesamt, fuhr er fort, sei der Haferanbau ein beherrschbares Unterfangen: Sorte und Standort sollten sorgfältig ausgesucht werden. Eine frühe Aussaat, die Nutzung von Z-Saatgut, kein Anbau nach Getreide, die Vermeidung von Lager, Krankheitskontrolle, richtige Mähdreschereinstellung und Trocknung auf 13,5 % – das seien die Eckpunkte eines erfolgreichen Anbaues. „Die Saaten-Union hat jahrzehntelang gegen den Trend an der Haferzüchtung festgehalten, jetzt wird sie mit Top-Sorten dafür belohnt“, beendete Beuch seinen Vortrag.


Bosse; Bild Hahn
Bosse; Bild Hahn
Thurian; Bild Hahn
Thurian; Bild Hahn
Dinkel und Durum als Alternativen

Nico Thurian und Anika Bosse beschrieben im Anschluss für die Mühlengruppe Bindewald-Gutting und deren Standort Saalemühle Alsleben, welche Chancen sie für weitere Getreidekulturen sehen. In der Saalemühle werden jährlich 440.000 t Getreide vermahlen, darunter neben Weizen auch Dinkel und Durum. „Die Ernährungstrends „frei von …“, Nachhaltigkeit, Regionalität und Genuss verändern das Einkaufsverhalten der Verbraucher“, erklärt Anika Bosse, „das sehen wir zum Beispiel am Erfolg der Marke Riesaer Teigwaren. Darin sind 100 % heimische Rohstoffe enthalten, in unserer Mühle vermahlen. Statt kanadischem Hartweizen steckt in diesen Nudeln regionaler Durum.“ Der auf 32.000 ha (2019) gestiegene Anbau zeigt hier den positiven Trend, der auch für Dinkel gilt.

„Für beide Getreidearten“, schließt Bosse, „sieht man als Verarbeiter eindeutig positive Trends. Die Entwicklung der Einkaufs- und Verzehrsgewohnheiten bietet reichlich Chancen, von denen auch die Landwirte profitieren. Die gute Ergänzung in der Fruchtfolge, eine Risikostreuung durch mehr Vielfalt und die sichere Vermarktung – bei Dinkel ausschließlich über dreijährige Verträge – machen diese Getreide auch für die Landwirte zu einer gesunden Alternative!“


Höner; Bild Hahn
Höner; Bild Hahn
Konsequenzen für die Neuausrichtung

Guido Höner, Chefredakteur der „top agrar“, stellte die Frage, welche Konsequenzen aus politischen und gesellschaftlichen Diskussionen, aus Umweltschutzauflagen, Klimawandel und fehlenden Pflanzenschutzmitteln sich für jeden einzelnen Betrieb ergeben.

Man könne gesellschaftliche Kritik auch nicht in allen Punkten von der Hand weisen, manches Argument habe durchaus seine Berechtigung, wie z. B. die Folgen von engen Fruchtfolgen, ausgeräumten Landschaften. Die Landwirtschaft habe jede Menge Möglichkeiten, hier gegenzusteuern. Ackerrandstreifen, begrünte Fahrgassen, Hecken und Sträucher sind einige Beispiele für gut erkennbare Maßnahmen. „Tun Sie Gutes und reden Sie drüber“, fordert er seine Zuhörer auf.

Guido Höner erinnerte sich an seine Lehrzeit in den 80er Jahren. „Vieles von dem, was ich damals gelernt habe, ist plötzlich wieder aktuell: integrierte Maßnahmen, weitere Fruchtfolgen und auch Sommerungen kommen wieder. Das stellt deutlich höhere Anforderungen an Arbeitsorganisation und ackerbauliche Fähigkeiten.“ Auch der baldige Wegfall von Glyphosat mache die Situation nicht leichter. Zwar sei vieles an dieser Diskussion überzogen und unsachlich, „aber man muss auch klar sagen, dass Fehler gemacht wurden: Erntesikkation ist nicht zu vermitteln, ein Acker an der Straße, der gelbgespritzt wochenlang zu sehen ist, ebenso nicht.“ Und weiter: „Dieser Kampf ist weitgehend verloren. Man muss Alternativen suchen.“ Er führte aus, dass die Kombination aus mechanischen und chemischen Maßnahmen plus einer gut durchdachten Fruchtfolge ein gangbarer Weg sei.

Auch die neuen Regeln der Düngeverordnung fordern heraus. Hier lägen mögliche Lösungen in dem bedarfsgerechten Einsatz von organischem Dünger mit moderner Technik, der Aufbereitung der Gülle, Nährstoffbörsen – um nur einige Punkte zu nennen.

Pessimismus hilft in diesen Zeiten niemandem, und ist auch fehl am Platze – das wurde auf dieser Veranstaltung deutlich.

Catrin Hahn