Mykotoxine – giftige Stoffwechselprodukte von Pilzen – können das Ernte- und Lagergut belasten. Betroffen sind nicht nur Getreidearten, sondern auch Grobleguminosen. Die Grenzwerte für viele Mykotoxine sollen 2023 erneut abgesenkt werden, was sowohl die Rohstoffproduktion als auch die Verarbeitungsstufe vor neue Herausforderungen stellt. Konstanze Fritzsch, zuständig für den Vertragsanbau und den Getreideeinkauf bei der Saalemühle + Dresdener Mühle, im Gespräch mit praxisnah.
Bei vielen Mykotoxinen besteht der begründete Verdacht, dass auch geringste über die tägliche Nahrung aufgenommene Mengen auf den menschlichen Organismus schädigend wirken können. Dies ist der wesentliche Grund für eine weitere Absenkung der Grenzwerte einiger Mykotoxine.
praxisnah: Welche der geplanten Grenzwertabsenkungen sind aus Ihrer Sicht als verarbeitendes Unternehmen besondere „Knackpunkte“ und warum?
Konstanze Fritzsch: Die Absenkung der Grenzwerte bei DON, Ergoalkaloide und Allergenen sind die kritischsten Punkte für die Getreideerfassung der Mühlen bzw. Getreideverarbeiter. Aus dem einfachen Grund, weil sie ein K.O.-Kriterium sind! Die gesetzliche Verpflichtung, diese Grenzwerte in der Rohware einzuhalten, lässt keinen Spielraum, sich die technischen Reinigungsmöglichkeiten in der Mühle zunutze zu machen. Wir beobachten vor allem die politische Entwicklung für die Anwendungsmöglichkeiten im Pflanzenschutz sehr kritisch. Denn hier laufen zwei Interessensbewegungen komplett auseinander: Auf der einen Seite sollen weniger Pflanzenschutzmittel angewendet werden und damit wird unter Umständen die Ährenbehandlung bei hohem Befallsdruck weggelassen. Auf der anderen Seite werden die Grenzwerte in der Rohware abgesenkt. Hier sind der Gesetzgeber und alle Interessengruppen gefragt, gemeinsam sinnvolle Lösungen zu finden. Auf jeden Fall wäre die hochspezialisierte Reinigung der Verarbeiter eine Möglichkeit, auch belastete Partien aufzubereiten und die Qualität für die menschliche Ernährung zu sichern.
Die Saalemühle + Dresdener Mühle verarbeitet neben den Klassikern Weichweizen und Roggen auch Hart- und Spelzweizen sowie Emmer. Beobachten Sie bei den Getreidearten Unterschiede hinsichtlich ihrer Belastung?
Je nach Erntejahr und Anbauregion gibt es durchaus deutliche Unterschiede in der Belastung der Getreidepartien. Auch innerhalb der genannten Fruchtarten zeigen sich Unterschiede in der DON-Belastung. Vor allem beim Hartweizen (Durum) zeigt sich die Anfälligkeit für Fusariuminfektionen deutlich. Hier gibt es in den Vorbemusterungen immer wieder mal erhöhte Analysenwerte. Wir empfehlen unseren Landwirten, im Durumanbau keine Getreide oder Mais als Vorfrucht zu wählen und eine Ährenbehandlung durchzuführen. Die beiden bespelzten Arten Dinkel und Emmer zeigen keine solchen Auffälligkeiten. In den letzten Jahren gab es immer wieder mal Meldungen über Mutterkorn im Weizen, aber eher aus den südlichen Anbauregionen Deutschlands.
Vor dem Hintergrund verringerter Pflanzenschutzmaßnahmen liest man in der Fachpresse, dass man sich vom „sauberen Acker“ verabschieden müsse. Gemeint ist meist die Ackerbegleitflora. Spielt eine Zunahme von Nicht-Getreidepflanzen auf dem Acker auch beim Thema Mykotoxine eine Rolle?
Es gibt einige Untersuchungen und Forschungsergebnisse die darauf hindeuten, dass es vor allem durch eine höhere „Verungrasung“ zu einer höheren Befallshäufigkeit bei der Kultur kommen kann. Die lange Standzeit der Gräser am Ackerrand ist ja auch immer beim Roggen und der Thematik Mutterkorn in der Diskussion.
Welche technischen Möglichkeiten hat eine Getreidemühle, die Toxinbelastung der Rohware abzusenken und wie effektiv sind diese Maßnahmen?
Die effektivste Möglichkeit für die Reinigung in der Mühle im Bereich der Mykotoxine und Ergoalkaloide ist sicherlich der Sortex bzw. Farbausleser. Der sowohl im Weizenbereich die weißen/rosa Körner sehr gezielt ausliest als auch im Roggen die schwarzen Mutterkörner. Das heißt, nach dem Sortex ist das Getreide frei von Fusariumkörnern oder Mutterkörnern. Diskutiert wird allerdings die Belastung der Stäube, die sich in den Wegen und Reinigungsmaschinen befinden.
Wann/bei welchen Werten nehmen Sie das Getreide nicht mehr an – heute und mit zukünftigen Grenzwerten?
Die Grenzwerte sind gesetzlich geregelt und gelten für jede Rohwarenannahme. Darüber liegende Werte können wir nicht annehmen. Dies gilt auch für zukünftige Grenzwerte! Durch intensivere Vorbemusterung der Rohware können natürlich belastete Partien schon im Voraus aussortiert werden und kommen gar nicht erst zu uns.
Werden die technischen Maßnahmen auch bei der geplanten Senkung der Grenzwerte noch ausreichen, die geforderte Qualität sicherzustellen?
Sicherlich haben die Mühlen viele technische Möglichkeiten, aber hier geht es um die Analysenwerte in der Rohware. Diese sind für alle Mühlen und Verarbeiter gesetzlich festgelegt. Hier sehen wir durchaus Diskussionsbedarf.
Sie begleiten „Ihre“ Landwirtinnen und Landwirte ackerbaulich beratend schon ab der Saat. Spielt bei der Sortenberatung auch die z. B. Fusarium- oder Mutterkornanfälligkeit einer Sorte eine Rolle oder ist hier die Qualität hinsichtlich Mehl und Verarbeitung entscheidender?
Die Sortenempfehlung erfolgt immer aus ackerbaulicher und aus backtechnischer Sicht. Die Einstufung der Anfälligkeit für Fusarium und Mutterkorn ist dabei ein wichtiges Kriterium. Wir nehmen keine Sorte in die Empfehlung, die bei der Einstufung die BSA-Note >5 hat. Damit nehmen wir schon im Vorfeld Risiko aus dem Anbau. Die Backqualität – und sei sie noch so gut – muss hier an zweiter Stelle stehen, da die Partie bei Befall ein Totalausfall ist.
Was ist aus Ihrer Sicht effektiver: Eine hinsichtlich Fusarium weniger anfällige Sorte anzubauen oder produktionstechnische Maßnahmen wie Ackerhygiene, Fruchtfolge und ggf. eine Ährenbehandlung durchzuführen?
Es ist aus unserer Sicht immer das Zusammenspiel aller Maßnahmen! Die Sorte bietet von der Genetik her eine gewisse Sicherheit, die Produktionstechnik (Fruchtfolge, Bodenbearbeitung usw.) hat einen großen Einfluss, muss aber mit den anderen Themen wie Vermarktung, Erosionsschutz etc. in Einklang gebracht werden. Schlussendlich ist es natürlich die Witterung, die den entscheidenden Ausschlag zur Befallssituation gibt, und damit muss auch ggf. eine Ährenbehandlung immer eine mögliche Maßnahme sein.
Sollten in Zukunft noch umfangreichere Maßnahmen bei der Aufbereitung notwendig werden: Wie wirkt sich das auf die Preispolitik aus (Richtung LW, Richtung Industrie/Bäckerei)?
Ja, es wird einen größeren Aufwand geben, vor allem in der technischen Aufbereitung der Rohware und in der Rückstandanalytik. Das wirkt sich natürlich auf die Kosten aus!
Wird es Ihrer Ansicht nach möglich sein, über die gesamte Warenkette sicherzustellen, dass die Verbraucher/innen ein im Sinne des Gesetzgebers auch in Jahren mit witterungsbedingt sehr hohem Pilzdruck ein sicheres Produkt erhalten?
Sichere Lebensmittel sind und bleiben unsere oberste Priorität. Es wird und muss somit auch immer unser Anspruch bleiben, alles Nötige zu tun, um das zu garantieren. Nur wird der Aufwand dafür in der ganzen Wertschöpfungskette immens hoch werden und das Risiko für alle steigen.
Frau Fritzsch, vielen Dank für das Gespräch!
Schnell gelesen (Kurzfassung):
In dem Gespräch wird unter anderem klar, dass die Fachfrau erhbenlichen Nachbesserungsbedarf in einigen Punkten sieht. Zum Beispiel stößt sie sich an der Tatsache, dass der Einsatz an hoch effektiven und wirksamen Reinigungsschritten nicht zu einer Einhaltung der Grenzwerte beitragen kann. Denn diese gelten für die unbehandelte Rohware und eine wie auch immer geartete Reinigung stellt einen Verarbeitunngsschritt dar.
Ein weitere Knackpunkt ist ihrer Ansicht nach das Auseinanderdriften von Interessensbewegungen: Auf der einen Seite sollen weniger Pflanzenschutzmittel angewendet werden und damit wird unter Umständen die Ährenbehandlung bei hohem Befallsdruck weggelassen. Auf der anderen Seite werden die Grenzwerte in der Rohware abgesenkt. An diesem Punkt fordert Frau Fritzsch Gesetzgeber und alle Interessengruppen, gemeinsam sinnvolle und praktikable Lösungen zu finden.
Sie sieht in ZUkunft einen größeren Aufwand für alle an der Prozesskette Beteiligten, vor allem in der technischen Aufbereitung der Rohware und in der Rückstandanalytik. Das wirkt sich natürlich auf die Kosten aus!