
Hybridroggenzüchter Dr. Joachim Fromme wagt einen (spekulativen) Blick in die Zukunft – denn steigende Temperaturen, milde Winter und längere Vegetationsperioden haben Einfluss auf die Krankheitserreger des Roggens. Wie wird sich das Krankheitsspektrum des Roggens verändern – und wie stellt sich die Züchtung darauf ein, um resistente und leistungsfähige Sorten zu entwickeln?
praxisnah: Rechnen Sie mit Veränderungen bei den gängigsten Roggenkrankheiten wie Roste, Mehltau, Rhynchosporium und auch Mutterkorn? Wenn ja, wie könnten diese aussehen?
Dr. Joachim Fromme: Da das Auftreten von Schaderregern im Getreide sehr stark durch das Zusammenspiel von Feuchte und Wärme beeinflusst wird, ist eine genaue Vorhersage nicht eindeutig möglich. Da aber sowohl Braun- als auch Schwarzrost von den hohen Temperaturen besonders profitieren, kann man davon ausgehen, dass diese Pilze in der Bedeutung zunehmen werden.
Anders beim Mehltau: Da dieser Erreger mehr feuchte und gemäßigte Temperaturen liebt, erwarte ich hier eher eine Befallsreduktion. Zudem ist bei höheren Temperaturen auch mit einem früherem Auftreten von Braunrost zu rechnen: Die Blätter werden dann schnell befallen und damit stehen dem Mehltau weniger intakte Blätter für einen erfolgreichen Befall zur Verfügung. Bei Mehltau sieht man daher ein West/Ostgefälle.
Bei dem Rhynchosporium-Pilz, der hinsichtlich seiner Ansprüche ein breites Temperaturfenster besitzt, ist eine Prognose nicht möglich. Was wir in den letzten Jahrzehnten beobachten konnten, ist seine im Vergleich zu den alten Bundesländern größere Bedeutung in Richtung Osteuropa – also ein Ost/Westgefälle.
Wenn die Witterung zur Zeit der Roggenblüte trockener und wärmer wird, dann wird der Mutterkorndruck geringer werden. In Spanien z. B. ist Mutterkorn kaum bekannt!
Welche Priorität hat eine Verbesserung der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten in der Züchtung? Gilt noch immer: Je gesünder, desto weniger Ertragspotenzial?
Die Erhöhung der Resistenz ist immer und wird immer eine wichtige Aufgabe bei der Züchtung von Roggen und allen Getreidearten bleiben. Gegenüber anderen Getreidearten bringt Roggen von Natur aus schon ein sehr viel höheres Resistenzniveau mit. Die Herausforderung besteht aber darin, alle positiven Eigenschaften – Ertrag, Standfestigkeit, Resistenz und Qualität – miteinander zu verbinden. Wichtig ist, dass eine Sorte keine Schwäche in der Gesundheit hat und trotzdem sicher hohe Erträge bringt. Dass das möglich ist, zeigen die vielen neu zugelassenen Sorten der HYBRO.
Es gibt ja immer wieder „gesunde“ Jahre, in denen kein hoher Krankheitsdruck vorliegt. Wie selektieren Sie denn dann?
Ja das stimmt. Das Problem mit fehlendem Krankheitsbefall lösen wir, in dem wir das Zuchtmaterial an sehr vielen Standorten prüfen. Diese Standorte sind so gewählt, dass sie generell einen höheren Druck mit bestimmten Krankheiten zeigen. An unserem Hauptzuchtstandort in Kleptow/Uckermark gibt es einen regelmäßigen Befall mit Braunrost und besonders auch mit Schwarzrost. Auf der anderen Zuchtstandort in Wulfsode/Lüneburger Heide ist dagegen der Befall mit Mehltau häufiger. Diese Strategie hilft uns besonders in der frühen Entwicklung von resistenten Inzuchtlinien, die die Grundlage für eine erfolgreiche Hybridzüchtung darstellen.
Insgesamt prüfen wir an mehr als 10 Standorten: Diese intensive Prüfung des Zuchtmaterials ist natürlich sehr personalintensiv und mit enormen Kosten verbunden. So dauert es im Schnitt ca. 11 Jahre bis zur Zulassung einer Hybridsorte. Dieser Zeitraum ist sehr lang und wir können mit Fug und Recht sagen, dass unsere Sorten unter den verschiedensten Klimabedingen auf Herz und Nieren getestet wurden und daher auch sehr ertragsstabil sind.
Sie sprachen vorhin davon, dass auch Schwarzrost eine Krankheit ist, die Sie als Roggenzüchter im Fokus haben und dass dieser vermutlich von den steigenden Temperaturen profitieren wird. Kann Schwarzrost im Roggen der neue Braunrost werden?
Wir haben das Glück, an unserem Hauptstandort in Kleptow einen sehr beständigen Krankheitsdruck mit diesem Erreger zu haben. Das liegt daran, dass dort noch sehr viele Sträucher der Berberitze stehen. Diese spielt als Zwischenwirt im Lebenszyklus des Getreideschwarzrosts eine wichtige Rolle, da die sexuelle Rekombination nur auf diesem Strauch stattfindet. Ihre Rolle als Zwischenwirt hat dazu geführt, dass die Berberitze in vielen Teilen Europas nahezu ausgerottet wurde. Denn hier wurde Schwarzrost besonders im Weizenanbau existenzbedrohend! Die sexuelle Rekombination des Schwarzrostes führt zur Bildung immer neuen Rassen die dann Resistenzen durchbrechen können. Dies wiederum ermöglicht es uns, unser Zuchtmaterial sehr effektiv auf Resistenz gegen diese Krankheit selektieren zu können.
Kurzer Exkurs zur Qualität: Ist diese auch Thema bei der Züchtung?
Thema ja, aber nicht mehr in Priorität. Bei der Roggenqualität kommt es vor allem darauf an, keine zu extremen Ausprägungen (oder Ausprägungsstufen) bei den qualitätsbeeinflussenden Faktoren zu haben. Eine z. B. superhohe Fallzahl ist also für einen Müller bzw. Bäcker gar nicht erstrebenswert.
Arbeitet die HYBRO auch in internationalen Zuchtprojekten mit – wenn ja, mit welchen Themen beschäftigen sich diese?
Züchter müssen grundsätzlich vorausschauend agieren. Auch in diesem Zusammenhang stellt der Klimawandel neue Anforderungen an das Profil angepasster und leistungsstarker Sorten. Deswegen hat die HYBRO beispielsweise im CORNET-Projekt RustControl mit internationalen Partnern an der Verbesserung der Schwarzrostresistenz mit genetischen und molekularen Methoden gearbeitet.
Im CORNET-Projekt NoErgot haben wir uns mit internationalen Partnern an der Entwicklung einer harmonisierten Methode zur Prüfung der Mutterkornabwehr des Roggens und Minimierung der Kontamination durch Ergot-Alkaloide gewirkt.
Im Rahmen des transnationalen Projektes RYE-SUS hat HYBRO schließlich gemeinsam mit 11 Partnern aus 7 Ländern weltweit erstmals einen vollkommen neuen Sortentyp, sogenannte Halbzwerge, mit verbesserter Standfestigkeit auch nach Starkniederschlagsereignissen entwickelt und geprüft.
Die Tierzahlen sinken und die Verbraucher/innen bevorzugen zunehmend Weizen: Gibt es denn Gründe, positiv in die Zukunft des Roggens zu sehen?
Ich sehe sogar sehr viele Gründe für eine positive Zukunft:
- Erstens: Auch wenn sehr viel Weizen in die Tierfütterung geht, so konnte in mehreren wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt werden, dass sich die Fütterung mit Roggen in der Schweinemast sehr positiv auf das Wohl und die Gesundheit auswirkt und letztlich zu geringeren Tierarztkosten führt, was wiederum die Kosten in der Schweinemast reduziert.
- Zweitens: Vor dem Hintergrund, dass beim Getreide viele Krankheitsresistenzen durchbrochen werden und die bestehenden Pflanzenschutzmittel ihre Bekämpfungswirkung verlieren, wird der Roggen in der Zukunft ein sehr wichtiger Bestandteil in der Fruchtfolge sein. Zudem werden von Seiten der Industrie die Zulassungen von vielen chemischem Pflanzenschutzmitteln nicht verlängert und es findet oft auch keine Neuentwicklung statt. Vor dem Hintergrund ist der Roggen aufgrund seiner besseren natürlichen Krankheitsresistenz eine sehr gute Alternative.
- Drittens: Der Roggen wird auch aufgrund seiner Ertragsstabilität geschätzt. Vor dem Hintergrund des Klimawandels mit mehr extremen Wetterbedingungen (Starkregen, lange Trockenphasen) bietet sich der Roggen förmlich an.
- Und dann noch ein „Viertens“: Die Erhöhung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre wird als entscheidender Faktor für Klimawandel angesehen. In einer Untersuchung von Riedesel aus dem Jahr 2022 konnte gezeigt werden, dass der Roggen im Vergleich zum Weizen einen um 8 Prozent geringen CO2-Abdruck hinterlässt und außerdem die Emission von Treibhausgasen um 20 Prozent verringert war. Gründe hierfür sind zum einen in der sehr effektiven Ausnutzung des Düngers (N-Effizienz) und zum anderen in seiner hervorragenden Krankheitsresistenz zu sehen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Dr. Anke Boenisch.
Neues Züchtungsprojekt im November 2024 gestartetIm Februar 2025 fand in der Zentrale der SAATEN-UNION GmbH in Isernhagen die offizielle Startveranstaltung des Forschungsprojekte RYE-HUB statt. Initiiert wurde das Projekt von der HYBRO Saatzucht und baut inhaltlich auf dem hier erwähnten Projekt RYE-SUS auf. Bitte beachten Sie auch folgenden Beitrag, in dem Dr. Dörthe Siekmann einen Überblick gibt. Es ist geplant, dass wir in der Fachzeitschrift praxisnah in unregelmäßigen Abständen über dieses spannende und vielfältige Projekt berichten werden. |
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Das Auftreten von Schaderregern ist stark vom Zusammenspiel von Feuchtigkeit und Wärme abhängig. Es ist schwierig, genaue Vorhersagen zu treffen. Allerdings wird erwartet, dass Braun- und Schwarzrost aufgrund höherer Temperaturen häufiger auftreten wefden. Im Gegensatz dazu könnte Mehltau bei warmen, trockenen Bedingungen weniger verbreitet sein. Das Verhalten von Rhynchosporium lässt sich nicht prognostizieren, allerdings kristallisiert sich in den letzten Jahren zunehmend ein Ost-West-Gefälle heraus. Bei zukünftig trockeneren Bedingungen während der Roggenblüte wird es vermutlich weniger Mutterkorn geben.
Die Verbesserung der widerstandsfähigen Eigenschaften von Roggen bleibt eine zentrale Aufgabe in der Züchtung. Roggen hat bereits von Natur aus eine gute Widerstandsfähigkeit, dennoch bleibt es eine Herausforderung, alle positiven Merkmale wie Ertrag, Standfestigkeit und Qualität zu vereinen. Durch Prüfungen an vielen Standorten auch im Ausland kann auch in Jahren mit geringerem Krankheitsdruck sicher selektiert werden.
Schwarzrost, bei dessen Vermehrung die Berberitze als Zwischenwirt eine entscheidende Rolle spielt, ist ein zentrales Thema der Züchtungsprogramme der HYBRO, da er von steigenden Temperaturen profitieren könnte.
Die HYBRO ist an internationalen Zuchtprojekten beteiligt, die sich mit den Herausforderungen des Klimawandels und der Verbesserung der Resistenz von Roggen befassen.
Ausblick: Es gibt viele Gründe an eine positive Zukunft des Roggens in Deutschland zu glauben.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Roggen in der Schweinemast positive Effekte auf die Gesundheit hat und dadurch Tierarztkosten senkt.
Zudem wird Roggen aufgrund seiner natürlichen Krankheitsresistenz und Ertragsstabilität eine wichtige Rolle in der Fruchtfolge spielen, besonders da viele chemische Pflanzenschutzmittel nicht verlängert werden.
Die Ertragsstabilität des Roggens wird auch in Zeiten von extremen Wetterereignissen geschätzt.
Ein weiterer Vorteil ist, dass Roggen im Vergleich zu Weizen einen geringeren CO2-Abdruck hinterlässt und die Emission von Treibhausgasen verringert. Dies liegt an seiner effizienten Düngernutzung und guter Krankheitsresistenz.
Züchter müssen vorausschauend arbeiten, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Dr. Joachim Fromme von HYBRO ist überzeugt, dass Roggen eine wichtige Zukunft hat, da er unter den sich ändernden Klimabedingungen und in der Landwirtschaft eine bedeutende Rolle spielt.