Weltweit werden jährlich ca. 150 Mio. Tonnen Gerste produziert, wobei die produktionsstärksten Regionen Europa (Deutschland, Frankreich, Dänemark), Russland, Ukraine, Australien, Kanada und Argentinien sind. Welche Qualitätskriterien muss Gerste für die jeweiligen Verwertungsrichtungen erfüllen und wie können diese abgesichert werden? Sébastien Frère, internationaler Produktmanager für Braugetreide, gibt einen Überblick.
Die Verwendungsmöglichkeiten für Gerste sind vielseitig. Ca. 30 % der gesamten Gerstenproduktion wird vermälzt, davon gehen 90 % in die Bierherstellung.
Daraus ergeben sich vielschichtige Qualitätsanforderungen an dieses Getreide, die in vier Kategorien aufgeteilt werden können:
- Lebens- und Futtermittelsicherheit
- physikalische Kornqualität
- technologische Eigenschaften & organoleptische1 Eigenschaften
- Nachhaltigkeit und operative Effizienz
1. Futtermittel- und Lebensmittelsicherheit:
- Mykotoxinbelastung kann entweder auf dem Feld oder im Lager entstehen. Bei der Gerste spielen vor allem Deoxynivalenol (DON), Ochratoxin (OTA) und T-2/HT-2 eine Rolle.
- Die Kontrolle auf Pestizidrückstände erfolgt meist mit Blick auf Wachstumsregulatoren, Herbizide und auch Lagerinsektizide. Die führenden Produktionsländer haben für Braugerste Positivlisten mit erlaubten Wirkstoffen und Mitteln. Zudem werden in jedem Land für jedes Produkt sogenannte MRL (Maximum Residue Level) definiert.
2. Physikalische Kornqualität
Die physikalische Kornqualität entscheidet darüber, ob die Gerste als Futtergerste oder Braugerste bzw. allgemein zur menschlichen Ernährung eingesetzt wird.
- Braugerste muss eine Keimfähigkeit von mind. 95 % nach 5 Tagen unter standardisierten Bedingungen aufweisen. Erntegut mit schlechterer Keimfähigkeit ist für den Brauprozess ungeeignet.
- Ein niedriger Proteingehalt spielt in der Malz-, Bier- und Whisky/Whiskeyproduktion eine wichtige Rolle. Einige Proteine sind zwar sehr wichtig für die Schaumstabilität des Bieres. Jedoch führt ein zu hoher Gehalt an Proteinen zu einer unerwünschten Trübung des Bieres und zu einer Reduktion der Stärke- und damit der Alkoholbildung während der Fermentation. Während Brauer einen Proteingehalt von 9,5–11,5 % akzeptieren, liegt der geforderte Proteingehalt der destillierenden Industrie deutlich darunter. Im Gegensatz dazu wird in der Futterindustrie ein möglichst hoher Proteingehalt gefordert.
- Für alle Verwertungsarten spielt die Korngröße eine entscheidende Rolle – es wird fraktioniert in Körner größer als 2,5 mm und kleiner als 2,2 mm. Für die Mälzerei sind Korngehalte von 90 % oberhalb 2,5 mm und ein Anteil von max. 2 % unterhalb 2,2 mm anzustreben. Dann liegen homogene Partien vor, die während des Weichprozesses das Wasser gleichmäßig aufnehmen.
- Das Hektolitergewicht ist sehr wichtig für die Lager- und Transportfähigkeit und ist ein entscheidender Aspekt bei der finanziellen Vergütung von Braugerste.
- Um die Keimfähigkeit zu erhalten, darf der Feuchtigkeitsgehalt beim Einlagern nicht höher als 14,5 % sein.
3. Technologische & organoleptische Eigenschaften
Technologische Parameter und solche, die über die Sinne wahrnehmbar sind, werden bei der Braugerste in nationalen Sondierungsprogrammen (z. B. Berliner Programm) bewertet.
Dazu gehören:
- Die physikalischen Veränderungen korrespondieren mit dem physikalischen Abbau des Korns durch verschiedene Enzyme während des Mälzungsprozesses. Indikatoren: Friabilität, Viskosität, Beta-Glucan-Level
- Proteolytische Modifikationen korrespondieren mit dem Umfang des Proteinabbaues in kleinere freie Aminosäure-Einheiten. Schlüsselparameter: lösliche Proteine, freie Aminosäuren, Kolbach-Index (Gehalt an löslichem Protein/totales Protein)
- Amylolytische Modifikationen beschreiben den Abbauprozess der Enzyme (überwiegend Alfa- und Beta-Amylase), die während der Mälzung Stärke in fermentierten Zucker umwandeln.
- Technische Parameter: Extraktgehalt, Geschmack, Stammwürze, Filtrierbarkeit, Trübung
- Bei der Destillation sind hohe Stärke- und Extraktgehalte für eine Maximierung der Alkoholbildung wichtig. Ein weiteres Kriterium ist die Abwesenheit von glycosidischem Nitril, das eine Vorstufe eines krebserregenden Moleküls ist.
- Für die Verwendung von Gerste für die Bäckerei spielt die Amylase-Aktivität und der Geschmack die größte Rolle.
4. Nachhaltigkeit und operative Effizienz
Mit Blick auf gesellschaftliche und politische Forderungen, aber auch mit zunehmendem Klimawandel wird die Möglichkeit, Gerste nachhaltig und effizient zu produzieren, immer wichtiger2.
Qualität schon beim Anbau beeinflussen
Nahezu jeder Schritt in der Gerstenproduktion hat einen Einfluss auf deren Qualität.
- Das beginnt bereits bei der Sortenwahl: Nur für die Standortbedingungen geeignete Sorten können qualitativ hochwertige Ernteware liefern. Da bei der Braugerste Sortenreinheit oft vorgeschrieben ist, ist sowohl eine konsequente Feldhygiene, als auch eine sorgfältige Reinigung der verwendeten Maschinen notwendig. Da stark auf die Kornqualität der Sorten selektiert wird, ist der Unterschied zwischen den Braugerstensorten verhältnismäßig gering.
- Generell hat die Witterung einen großen Einfluss auf die Kornausbildung. Besteht die Möglichkeit zu beregnen, kann dies bei Trockenheit bei Braugerste durchaus wirtschaftlich sein (www.praxisnah.de/202223).
- Ein wichtiger Aspekt ist auch der Aussaatzeitpunkt, denn es gilt: Tendenziell werden mit längerer Kornfüllungsphase auch die Körner größer, – wenn das Wetter passt.
- Braugersten sind auf niedrigen Proteingehalt gezüchtet, der Großteil der Sorten ist mit BSA-Note 1 eingestuft. Durch angepasste Düngung der Vorfrucht (auf Böden mit geringem Auswaschungsrisiko, keine/nur geringe Spätdüngung im Winterweizen) und der Braugerste können die Proteingehalte gering gehalten werden. Stickstoffzehrende Kulturen eignen sich besonders gut als Vorfrucht für die Braugerste.
- Die Kontamination mit Fremdpflanzen im Erntegut sollte vermieden werden, weil diese schlecht herauszureinigen sind und zudem auch zu einer erhöhten Mykotoxinbelastung beitragen können. Zusätzlich dazu hilft ein angepasstes Fungizidmanagement. Ein gutes Instrument zur Verringerung der DON-Belastung durch Fusarium ist die Fruchtfolgeposition. Von Mulchsaat nach Körnermais sollte man bei Braugerste absehen.
- Die Ernte selbst ist für die Qualität der Rohware extrem wichtig: von der korrekten Dreschereinstellung zur Vermeidung von beschädigten Körnern und Verschmutzung bis zu dem richtigen Erntezeitpunkt. Im Lager können die Einhaltung strikter Hygienemaßnahmen und die laufende Kontrolle von Feuchtigkeit und Temperatur nicht nur die Mykotoxinbelastung begrenzen, sondern auch Schäden durch Schädlinge wie Insekten oder Nager und die frühzeitige Keimung der Gerstenkörner verhindern.
Nahezu jeder einzelne Schritt in der Prozesskette muss also bestimmte Vorgaben erfüllen, um die Qualität des Lebensmittels (oder Futtermittels) am Ende der Prozesskette und auch die Nachhaltigkeit zu sichern. Die Anbaubedingungen auf dem Feld bilden dabei die Basis für ein gesundes Lebensmittel.
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Vier Kategorien der Qualität von Gerste
Es gibt vielschichtige Qualitätsanforderungen an Gerste, die in vier Kategorien aufgeteilt werden können:
1. Lebens- und Futtermittelsicherheit: hierunter fallen Mykotoxinbelastung, Pestizidrückstände (z. B. vorgegebene Grenzwerte für Braugerste, Positivlisten mit erlaubten Mitteln)
2. physikalische Kornqualität: Braugerste muss eine Keimfähigkeit von mind. 95 % nach 5 Tagen unter standardisierten Bedingungen aufweisen und einen sehr niedrigen Proteingehalt haben (wie auch Gerste zum Verwendungszweck Brennerei). Für alle Verwertungsarten spielt die Korngröße eine entscheidende Rolle – es wird fraktioniert in Körner größer als 2,5 mm und kleiner als 2,2 mm. Das Hektolitergewicht ist sehr wichtig für die Lager- und Transportfähigkeit und ist ein entscheidender Aspekt bei der finanziellen Vergütung von Braugerste.
3. technologische Eigenschaften & organoleptische Eigenschaften wie z. B.: Technologische Parameter und solche, die über die Sinne wahrnehmbar sind (organoloeptisch), werden bei der Braugerste in nationalen Sondierungsprogrammen (z. B. Berliner Programm) bewertet.
Die Indikatoren Friabilität, Viskosität, Beta-Glucan-Level stehen für physikalischen Veränderungen während des Mälzungsprozesses. Schlüsselparameter für proteolytische Modifikationen sind lösliche Proteine, freie Aminosäuren, Kolbach-Index (Gehalt an löslichem Protein/totales Protein).
Amylolytische Modifikationen beschreiben den Abbauprozess der Enzyme (überwiegend Alfa- und Beta-Amylase), die während der Mälzung Stärke in fermentierten Zucker umwandeln.
Hinzu kommen technische Parameter wie Extraktgehalt, Geschmack, Stammwürze, Filtrierbarkeit, Trübung.
4. Nachhaltigkeit und operative Effizienz: Mit Blick auf gesellschaftliche und politische Forderungen, aber auch mit zunehmendem Klimawandel wird die Möglichkeit, Gerste nachhaltig und effizient zu produzieren, immer wichtiger.
Qualität schon beim Anbau beeinflussen
Nahezu jeder Schritt in der Gerstenproduktion hat einen Einfluss auf deren Qualität.
- Sortenwahl: Nur für die Standortbedingungen geeignete Sorten können qualitativ hochwertige Ernteware liefern.
- Da bei der Braugerste Sortenreinheit oft vorgeschrieben ist, ist sowohl eine konsequente Feldhygiene, als auch eine sorgfältige Reinigung der verwendeten Maschinen notwendig.
- Beregnung bei Trockenheit beeinflusst die Kornqualität positiv.
- Ein wichtiger Aspekt ist auch der Aussaatzeitpunkt, denn es gilt: Tendenziell werden mit längerer Kornfüllungsphase auch die Körner größer.
- Durch angepasste Düngung der Vorfrucht (auf Böden mit geringem Auswaschungsrisiko, keine/nur geringe Spätdüngung im Winterweizen) und der Braugerste können die Proteingehalte gering gehalten werden.
- Die Kontamination mit Fremdpflanzen im Erntegut sollte vermieden werden
- Angepasstes Fungizidmanagement und eine geeignete Fruchtfolgeposition sind geeignete Instrumente zur Verringerung der Mykotoxin-Belastung.
- Die Ernte selbst ist für die Qualität der Rohware extrem wichtig: von der korrekten Dreschereinstellung zur Vermeidung von beschädigten Körnern und Verschmutzung bis zu dem richtigen Erntezeitpunkt.
- Lagerhygiene zur Begrenzung der Mykotoxinbelastung und der Schädigung durch Insekten und Nager.