CO2-Fußabdruck: Verliert der Braugerstenanbau weiter an Wettbewerbsfähigkeit?

CO2-Fußabdruck: Verliert der Braugerstenanbau weiter an Wettbewerbsfähigkeit?

Die CO2-Produktion in der Wertschöpfungskette Braugerste ist ein sehr komplexes und facettenreiches Thema, an das sich hier Produktmanager Heinrich Maubach heranwagt. Zum besseren Verständnis beschreibt er zunächst die unterschiedlichen Einflussfaktoren des CO2-Fußabdruckes. Zudem beleuchtet er, wo die Reise hingehen könnte und warum seiner Ansicht nach die Gefahr besteht, dass die deutsche Braugerste an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen könnte.

CO2-Bepreisung

Hierbei handelt es sich um ein marktbasiertes Instrument zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen (THGE), gemessen in CO2-Äquivalenten, bestehend aus zwei unterschiedlichen Systemen: der sogenannten CO2-Steuer und dem Emissionshandel. Hierdurch sollen die Kosten des durch die Emissionen verursachten Klimawandels in die Marktpreise einbezogen werden. Die Steuerung erfolgt jeweils national, sodass es im Jahre 2024 mindestens 75 unterschiedliche Systeme zur CO2-Bepreisung gab, die insgesamt etwa 25 % der weltweiten Treibhausgas-Emissionen erfassen. Für 2025 wurde in Deutschland ein Preis von 55 € pro Tonne Kohlendioxid festgelegt.


CSRD-Richtlinie: Pflicht zur Berichterstattung

Im November 2022 hat das EU-Parlament die Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) verabschiedet. Die Verpflichtung zur Berichterstattung erfolgte zeitlich gestaffelt nach der Größe der Unternehmen. Ab 2024 gilt die Richtlinie für die großen börsennotierten Unternehmen. Für andere große Kapitalgesellschaften gilt die Pflicht ab 2025, für kleinere kapitalmarktorientierte Unternehmen frühestens ab 2026. Vereinfacht dargestellt werden im Rahmen dieser Berichterstattung die Auswirkungen der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf den schonenden Umgang mit der Umwelt und die Einhaltung von sozialen Standards beschrieben. In der Umwelt-Berichterstattung ist die Säule 3 von besonderer Bedeutung: die quantitativen Angaben zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimaschutz.

Als Kennzahlen werden folgende Angaben gefordert:

  • absoluter Energieverbrauch und Energiemix
  • Treibhausgas-Emissionen
  • Abbau von Treibhausgas-Emissionen und Einsatz von Emissionszertifikaten
  • potenzielle finanzielle Auswirkungen von physischen Übergangsrisiken und -chancen

Die Offenlegungspflicht sieht eine Aufstellung der (THG) Treibhausgas-Emissionen nach Scope 1 bis 3 vor, wobei die Scope-3 THG-Emissionen viele Unternehmen vor besondere Herausforderungen stellen. Hier werden unter anderem die THG-Emissionen (in Tonnen CO2-Äquivalent) aus vorgelagertem Einkauf, nachgelagerten verkauften Produkte und Warentransport gemessen.

Unternehmen, die ein Net-Zero-Ziel verfolgen, sind aufgefordert, ihren Ansatz zur Neutralisierung der Restemissionen anzugeben, die nicht mehr als 5–10 % der Gesamtemissionen eines Unternehmens ausmachen dürfen.



Net-Zero-Ziele: bald Standard?

Die beiden größten europäischen Braugruppen (Heineken und Carlsberg) haben schon im Jahre 2021 bzw. 2022 ihre Pläne zur Erreichung der Net-Zero-Ziele vorgestellt. Beide Unternehmen möchten bis 2040 nicht nur die eigene Produktion, sondern die gesamte Wertschöpfungskette für Bier CO2-neutral (ohne THG-Emissionen) gestalten. Mit anderen Worten: CO2-neutrales Bier produzieren. Die Reduzierung der Scope-3-Emissionen rückt zunehmend in den Fokus der Unternehmen und ist anerkannter Weise sehr komplex. Die führenden internationalen Brauer sehen allerdings auch keinen Spielraum für eine Bepreisung der „Klimaneutralität“ ihrer Produkte. Vielmehr erwartet man, dass die Einhaltung der Net-Zero-Ziele in der Produktion zukünftig zum neuen Produkt-Standard wird.


Die Malzproduktion: Gesamtenergiebedarf ist entscheidend

Neben dem Rohstoffeinkauf zählt in der Malzproduktion der Energiebedarf zu den größten Kostenblöcken. Daher entscheidet der Gesamtenergiebedarf (inkl. CO2-Bepreisung) sowohl über den CO2-Fußabdruck als auch über die Wirtschaftlichkeit einer Mälzerei. Der Energiebedarf ist nicht nur von der Technologie, sondern auch vom Sortentyp abhängig.

Entscheidend ist hier die Höhe des Weichgrades (benötigte Wassergabe für die Keimung) zur Erreichung einer geforderten Zellwandlösung. Untersuchungen im Rahmen des Berliner Programmes geben Auskunft darüber, inwieweit sich die Sorten hier unterscheiden. Die Züchtung hat bereits auf diese Vorgaben reagiert und bietet Sorten an, die nicht nur nach Berechnungen der Industrie den CO2-Ausstoß in der Malzproduktion um ca. 15 % reduzieren, sondern auch agronomisch wettbewerbsfähig sind.


Der Anbau von Braugerste

Ein ganz wesentlicher Punkt bei der Frage nach der CO2-Intensität eines Liters Bier ist der Anbau der Gerste, auch wenn diese im Vergleich zu Weizen deutlich geringer ist (Tab. 1). Im Ackerbau gibt es unterschiedliche Quellen der Kohlendioxid-Emissionen. Den größten Anteil machen die Lachgas-Freisetzungen aus Verdampfung und Umsetzung im Boden aus – mit einem sehr hohen Schädigungspotenzial. Auf Platz zwei steht die Düngerherstellung, dann folgen die Pflanzenschutzmittel und der Diesel für die landwirtschaftlichen Maschinen.


Gesamtbetrachtung über die Wertschöpfungskette

Nach Berechnungen der Verarbeiter (Mälzer/Brauer) verursacht die Produktion der Gerste – also der landwirtschaftliche Part – über 20 % der gesamten Treibhausgas-Emissionen in der Bierherstellung. Zur Reduzierung dieser Scope-3-Emissionen haben die großen internationalen Brauereien bereits unterschiedliche Programme in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft aufgelegt. Das „Low Carbon Farming“-Programm von Heineken z. B. ist in Frankreich gestartet und liefert wertvolle Ergebnisse für die französischen Genossenschaften und Landwirte für einen klimafreundlicheren Anbau der Braugerste unter französischen Bedingungen. Dort ist man mit der Umstellung der landwirtschaftlichen Produktion also schon relativ weit. Im Gegensatz dazu passiert in Deutschland noch nahezu nichts in dieser Richtung: Denn für die deutsche Brauindustrie wird die CSRD-Berichterstattung erst ab 2025 oder sogar erst später verpflichtend. Allerdings ist es sehr kurz gedacht zu meinen, dass eine Umstellung der Produktion von Braugerste innerhalb eines Jahres gemacht sei, zumal hier zu Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit theoretischer Überlegungen kein Versuchsprogramm existiert, das mit dem oben genannten vergleichbar wäre.


Fazit

Wenn auch hiesige größere Mälzer oder Brauer die an sie gestellte Forderung nach einer deutlichen Reduzierung des CO2-Fußabdruckes erfüllen müssen, wird herkömmlich produzierte Braugerste an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Landwirtschaft, Beratung, Handel und die Verarbeitung für Braugerste in Deutschland sollten schon jetzt eng zusammenarbeiten, um dies zu verhindern. Im nationalen Vergleich zu anderen Kulturen hat der Braugerstenanbau deutliche „Klimavorteile“. Wird das auch in Zukunft bei jetzt schon steigenden Malzimporten ausreichen?

Zum Thema Braugerstenmarkt haben wir auch mit Heinrich Maubach in unserem Podcast PRAXISCAST.agrar diskutiert. Auch einen Beitrag zu dem Thema "Mehr Humus - weniger CO2: Wie kann ich damit Geld verdienen?" finden Sie hier.

PRAXISCAST.agrar findet man auf allen gängigen Podcastplattformen.


Schnell gelesen (Kurzfassung):

In dem Artikel geht es um die komplexe CO2-Produktion in der Braugersten-Wertschöpfungskette. Es werden die Einflussfaktoren des CO2-Fußabdrucks erläutert, die CO2-Bepreisung diskutiert und die CSRD-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung vorgestellt. Zudem werden die Net-Zero-Ziele großer Brauereien und der Energiebedarf in der Malzproduktion beleuchtet. Diese werden auch in Deutschland bald Standard, bisher gib es jedoch kaum Bemühungen, sich auf diese Situation vorzubereiten. 

Herkömmliche Produktionsketten könnten e an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn nicht sehr bald Maßnahmen ergriffen werden. Es wird empfohlen, dass Landwirtschaft, Beratung, Handel und Verarbeitung in Deutschland eng zusammenarbeiten, um dies zu verhindern.