Hafermarkt: Unten oder oben? Aktuelle Perspektiven und Entwicklungen bei Hafer

Hafermarkt: Unten oder oben? Aktuelle Perspektiven und Entwicklungen bei Hafer

Die Welthaferkonferenz findet im Regelfall nur alle vier Jahre statt und bietet die weltweit einzige Plattform zum Austausch über diese Fruchtart. Dieses Mal fand sie – coronabedingt erst nach 6 Jahren – in Australien statt. Dr. Steffen Beuch, Haferzüchter der Nordsaat Saatzucht berichtet von neuen Entwicklungen beim Thema Hafer.

Australier können empfindlich reagieren, wenn sie als die von „down under“ bezeichnet werden, da ihr Land auf den gängigen Weltkarten unten rechts zu finden ist. Wenn die Erdkarte um 180 Grad gedreht wird, ist Australien aber sofort obenauf. Dass ein Perspektivwechsel meist nicht schadet, dachten sich auch die knapp 300 Teilnehmer der 11. Internationalen Haferkonferenz, die Anfang Oktober 2022 nach Perth, der Hauptstadt des Bundesstaates Westaustralien gereist waren. Die Welthaferkonferenz bietet die weltweit einzige Plattform zum Austausch über diese Fruchtart. Nach nunmehr coronabedingt 6 statt 4 Jahren richtete die Grain Industry Association von Westaustralien (GIWA) das Treffen aus, an das große Erwartungen geknüpft waren.

Westaustralien ist die australische Hauptregion für den Export von landwirtschaftlichen Gütern und Rohstoffen, das gilt auch für Hafer. Australien produziert auf knapp 1 Mio./ha Anbaufläche jährlich 1–2 Mio. t Rohhafer, von denen in der Regel mindestens zwei Drittel in Westaustralien geerntet werden (Abb. 1). Australien ist nach Kanada der weltweit zweitgrößte Haferexporteur.

Dazu kommen etwa 600.000 t Haferheu, von denen rund die Hälfte ebenfalls exportiert wird – vor allem nach Südostasien. In Ländern wie Japan, Taiwan oder Südkorea ist die Tierhaltung in der Landwirtschaft häufig sehr klein strukturiert und auf eine hochpreisige Milch- oder Qualitätsfleischproduktion wie dem Wagyu-Rind ausgerichtet. Hier lohnt sich der Einsatz des importierten, futtertechnisch und qualitativ äußerst hochwertigen Heus aus Hafer.


Haferanbau in Autralien
Haferanbau in Autralien


Fast keine Beihilfen, aber intensive Förderung von Forschungsprojekten

Da es in Australien so gut wie keine Beihilfen für Farmer gibt, muss die Produktion äußerst preis- und kostenorientiert erfolgen. Zudem führt die unberechenbare Witterung vor allem in Westaustralien zu starken Schwankungen der Erntemengen.

Australiens Politik unterstützt trotz fehlender Beihilfen den Haferanbau im Land in vielfältiger Art und Weise, denn die australische Haferbranche wuchs in den letzten 20 Jahren stetig. Für verschiedene Projekte im Haferbereich gibt allein Westaustralien in den nächsten vier Jahren etwa 12 Mio. AU$ aus.

Dabei geht es vor allem um die Inhaltsstoffe ß-Glucan und Fett im Schälhaferbereich sowie um die Entwicklung von besseren Sortenresistenzen gegen Befall mit Septoria. Septoria ist die mit Abstand wichtigste Blattkrankheit im westaustralischen Haferanbau. Darüber hinaus sollen weitere Projekte in der westaustralischen Haferverarbeitung unterstützt werden, die auch zu neuen, innovativen Produkten wie z. B. einem auf der Konferenz gezeigten ess- oder kompostierbaren Trinkbecher für Heiß- und Kaltgetränke führen sollen (s. Bild).

Essbarer Becher aus Hafer, Bild: Beuch
Essbarer Becher aus Hafer, Bild: Beuch


Kurzstrohgen steigert Wirtschaftlichkeit neuer Hafersorten

Die australische Haferzüchtung hat maßgeblich von der Einführung von Kurzstrohgenen profitiert. Dadurch konnte der Kornertrag in neuen Hafersorten bei besserer Kornqualität um 17–20 % gesteigert werden. Bei jedem Prozent höherem Kerngehalt in neuen Sorten spart die australische Schälmühlenindustrie außerdem heute jährlich mindestens 100.000 AU$ ein. Im Praxisanbau jedoch stagniert die Ertragsentwicklung neuer Hafersorten in Australien seit fast 20 Jahren, was die australische Haferindustrie besorgt und zu neuen Forschungsansätzen motiviert. In einer so stark ausschließlich vom eigenen ökonomischen Erfolg abhängigen Landwirtschaft wie in Australien ist der Kornertrag einer Fruchtart das herausragende Merkmal für deren wirtschaftliche Attraktivität.


Genomsequenzierung auch an deutschen Hafersorten

Wichtige Themenblöcke der Konferenz waren Gesundheitstrends, innovative Produkte und Qualität, Pflanzenphysiologie und Stresstoleranz des Hafers, Haferzüchtung und Biotechnologie, Marktentwicklungen sowie Agronomie und Anbauverfahren. Wissenschaftlich herausragend waren die Beiträge zur Genomsequenzierung des Hafers eines internationalen Forschungsverbundes. Hierdurch ergeben sich in Zukunft völlig neue Ansätze für leistungsstärkere Sorten. Die gegenwärtig laufenden Arbeiten dazu umfassen auch die Genomanalyse der in Deutschland zugelassenen Qualitäts­hafersorte LION und der sehr ertragreichen, mehltauresistenten Hafersorte Delfin. Daher wird auch die deutsche Haferzüchtung mit großer Sicherheit von dieser wissenschaftlichen Grundlagenarbeit profitieren. Das Konsortium konnte darüber hinaus weitere Belege für die Glutenfreiheit von Hafer liefern. Der Anteil an Menschen mit Zöliakie, einer autoimmunen Reaktion auf Gluten, liegt zurzeit bei weltweit nur 1–2 %, die Tendenz ist jedoch steigend. Hafer hat sich daher mittlerweile in vielen Ländern der Erde zu einer wertvollen Ergänzung bei einer glutenfreien Ernährung entwickelt.



Dr. Steffen Beuch, neuer Vorsitzender des Internationalen Welthaferkomitees; Bild: Nordsaat
Dr. Steffen Beuch, neuer Vorsitzender des Internationalen Welthaferkomitees; Bild: Nordsaat
Dr. Steffen Beuch wurde auf der vergangenen Welthaferkonferenz für die nächsten vier Jahre zum neuen Vorsitzenden des Internationalen Haferkomitees gewählt. Damit wurde auch die sehr erfolgreiche wissenschaftliche und praktische Züchtungsarbeit für Hafer in Deutschland gewürdigt. Das Internationale Haferkomitee koordiniert als globaler Dachverband den wissenschaftlichen Austausch zu Hafer und ist gleichzeitig die übergeordnete Organisation für die Ausrichtung der regelmäßig stattfindenden Welthaferkonferenzen

Die Schere zwischen Anbauflächen und Bedarf geht weiter auseinander

Die globalen Anbauflächen des Hafers gehen aufgrund der wirtschaftlichen Attraktivität anderer Feldfrüchte langsam zurück. Auf der anderen Seite jedoch sorgt die weiter kontinuierlich wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln auf Haferbasis für einen steigenden Bedarf der internationalen Haferindustrie. Vor allem auf Hafer basierende Milchersatzgetränke werden als globaler „Game Changer“ mit nahezu endlosen Möglichkeiten bezeichnet. Im Jahre 2020 machte dieser Bereich weltweit gesehen einen Umsatz von 3,7 Mrd. US$ und soll über die nächsten fünf Jahre um jährlich 8 % weiterwachsen. Hafer boomt dabei in allen Bereichen – jährlich wird von neuen Rekorden in Verarbeitung, Umsatz und Absatzmengen berichtet. Mindestens bis 2028 soll diese Entwicklung nach Einschätzung von renommierten Marktanalys

ten auch so weitergehen. Solange Hafer aber preislich immer noch als Futter und nicht als Qualitätsgetreide behandelt wird, wird sich an dieser unterschiedlichen Entwicklung von Anbauflächen und Verarbeitungsmengen nichts ändern, wurde auf der Konferenz betont. Bisherige Preismodelle gelten dabei als überholt. Wenn der Bereich der Hafermilchgetränke gesättigt ist, braucht es zudem neue Innovationen.


Die Konferenz spiegelte erneut die hohe Attraktivität des Hafers und das große Engagement für dessen weitere globale Entwicklung wider. Um die nächste Konferenz in vier Jahren hat sich auch Deutschland beworben.



Schnell gelesen (Kurzfassung):

Wichtige Themenblöcke der Konferenz waren

  • Gesundheitstrends,
  • innovative Produkte und Qualität,
  • Pflanzenphysiologie und Stresstoleranz des Hafers,
  • Haferzüchtung und Biotechnologie,
  • Marktentwicklungen sowie
  • Agronomie und
  • Anbauverfahren.

Australiens Politik unterstützt trotz fehlender Beihilfen den Haferanbau im Land in vielfältiger Art und Weise, denn die australische Haferbranche wuchs in den letzten 20 Jahren stetig. Für verschiedene Projekte im Haferbereich gibt allein Westaustralien in den nächsten vier Jahren etwa 12 Mio. AU$ aus. Dabei geht es vor allem um die Inhaltsstoffe ß-Glucan und Fett im Schälhaferbereich sowie um die Entwicklung von besseren Sortenresistenzen gegen Befall mit Septoria. Septoria ist die mit Abstand wichtigste Blattkrankheit im westaustralischen Haferanbau. Darüber hinaus sollen weitere Projekte in der westaustralischen Haferverarbeitung unterstützt werden, die auch zu neuen, innovativen Produkten wie z. B. einem auf der Konferenz gezeigten ess- oder kompostierbaren Trinkbecher für Heiß- und Kaltgetränke führen sollen.

Die australische Haferzüchtung hat maßgeblich von der Einführung von Kurzstrohgenen profitiert. Dadurch konnte der Kornertrag in neuen Hafersorten bei besserer Kornqualität um 17–20 % gesteigert werden. Im Praxisanbau jedoch stagniert die Ertragsentwicklung neuer Hafersorten in Australien seit fast 20 Jahren, was die australische Haferindustrie besorgt und zu neuen Forschungsansätzen motiviert. In einer so stark ausschließlich vom eigenen ökonomischen Erfolg abhängigen Landwirtschaft wie in Australien ist der Kornertrag einer Fruchtart das herausragende Merkmal für deren wirtschaftliche Attraktivität.

Wissenschaftlich herausragend waren die Beiträge zur Genomsequenzierung des Hafers eines internationalen Forschungsverbundes. Hierdurch ergeben sich in Zukunft völlig neue Ansätze für leistungsstärkere Sorten. Die gegenwärtig laufenden Arbeiten dazu umfassen auch die Genomanalyse der in Deutschland zugelassenen Qualitätshafersorte Lion und der sehr ertragreichen, mehltauresistenten Hafersorte Delfin. Daher wird auch die deutsche Haferzüchtung mit großer Sicherheit von dieser wissenschaftlichen Grundlagenarbeit profitieren.

Die globalen Anbauflächen des Hafers gehen aufgrund der wirtschaftlichen Attraktivität anderer Feldfrüchte langsam zurück. Auf der anderen Seite jedoch sorgt die weiter kontinuierlich wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln auf Haferbasis für einen steigenden Bedarf der internationalen Haferindustrie. Vor allem auf Hafer basierende Milchersatzgetränke werden als globaler „Game Changer“ mit nahezu endlosen Möglichkeiten bezeichnet