
In den letzten Jahren ist deutschlandweit eine Resistenzbildung bei Welschem Weidelgras gegen einige herbizide Wirkstoffe zu beobachten. Uwe Nuß, Fachberater für Baden-Württemberg, erläutert im Gespräch mit praxisnah, was es mit der Resistenzbildung auf sich hat und wie man sich bei auftretenden Resistenzen ackerbaulich verhalten sollte.
praxisnah: Wie kommt es zu Resistenzbildungen bei Welschem Weidelgras (WW)?
Uwe Nuß: In Deutschland wird WW als Futtergras seit Jahrzehnten mit bestem Erfolg angebaut. Die Pflanze hat eine schöne Ertragsleistung und ist als Komponente zur Fütterung mit nichts zu ersetzen. Die Ernte erfolgt in der Regel vor dem Aussamen. Traditionell wird dann auf den Betrieben die Bodenbearbeitung mit dem Pflug durchgeführt. Somit ist der Anbau auch unproblematisch. Die Probleme von ungenügender Bekämpfung zeugen allerdings auch von unsachgemäßem Einsatz zum Beispiel als Untersaat in Mais. Wenn man nicht aufpasst, kann es hier zu unkontrollierter Keimung der Gräser kommen. Das Samenpotenzial für die Folgefrucht ist dann oft zu groß, um mit nur einer Herbizidbehandlung kontrolliert werden zu können.
Die Resistenzbildung kam also durch den vermehrten Einsatz der Herbizide, um den Acker wieder „sauber“ zu bekommen?
Einerseits, aber zusätzlich sind auch Wirkstoffe weggefallen, weil sie aus unterschiedlichen Gründen vom Markt genommen wurden. Das Wirkstoffspektrum hat sich daher verkleinert. Und damit wurden die verbliebenen Wirkstoffe häufig eingesetzt, was die Resistenzbildung förderte.
Den „Feind“, den man bekämpfen will, muss man kennen. Daher sollten wir ganz kurz auf die wesentlichen biologischen Merkmale des Weidelgrases eingehen, die man kennen sollte, um gezielte Gegenmaßnahmen einsetzen zu können.
Das WW ist ein mehrjähriges, Horst bildendes Gras, kann also überwintern und mehrjährig auf der Fläche verbleiben. Je größer die Einzelpflanze ist, desto schwieriger gestaltet sich deren Bekämpfung. WW treibt jedoch nicht aus den unterirdischen Rhizomen wieder aus, sondern als etablierte Pflanze wächst sie oberirdisch einfach wieder weiter. Das WW hat ein Samenpotenzial von bis zu 1.500 Samen/Pflanze mit einer Überlebensdauer im Boden von 2 bis 5 Jahren.
Ist das WW wie der Ackerfuchsschwanz (AF) ein Herbstkeimer?
Es kann im Herbst zwar auch keimen, im Regelfall tut es das jedoch erst im Frühjahr. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zum AF und auch für die Bekämpfung ein wichtiger Aspekt. Aber wie der AF braucht auch das WW einen Lichtreiz zum Keimen.
Diese Unterschiede zum AF erfordern also bei WW eine andere Bekämpfungsstrategie, richtig?
Genau. Dass WW bei günstigen Temperaturen im Herbst keimen kann, ist wichtig: Wir haben in Süddeutschland im Herbst manchmal noch 20 Grad, also ganz gute Keimbedingungen. Somit muss eine erste Maßnahme in bspw. Winterweizen auch schon im Herbst erfolgen – also mit Herbiziden mit Teilwirkung gegen Weidelgräser. In Sommerungen ist WW ebenfalls ein Riesenproblem, denn nach der Bodenbearbeitung vor der Saat werden die Samen massiv zum Keimen angeregt.
Thema Bodenbearbeitung: Wie kann denn eine angepasste Bodenbearbeitung auf solchen Problemflächen aussehen?
Man muss auf verseuchten Flächen in jedem Fall mit einer ganzheitlichen Strategie aktiv werden. Dazu geht man z. B. folgendermaßen vor: Ich werde zuerst tiefgründig pflügen, damit die Samen und Pflanzen der oberen Schicht nach unten „weggegraben“ werden. Damit ist das Samenpotenzial schon reduziert. Dann lasse ich die verbliebenen (oder auch nach oben geholte) Samen erst mal auflaufen, um sie dann zu bekämpfen. In Nicht-Wasserschutzgebieten habe ich hier die Möglichkeit, Roundup u. ä. einzusetzen. Für Problemflächen kann ich das aus meiner Sicht auch nur empfehlen, da dieser Wirkstoff noch funktioniert. Und dann versuche ich, den Vorsprung der Kulturpflanze nach der Saat zu etablieren. Die muss schneller sein als das Weidelgras, Ackerfuchsschwanz oder Windhalm. Dazu brauche ich einen dichten Bestand.
Das wäre die Strategie mit Einsatz chemischen Pflanzenschutzes. Wie sieht es ohne aus?
Es gibt natürlich immer die Möglichkeit der mechanischen Bekämpfung z. B. mit Striegel und Kreiselegge. Dazu brauche ich aber eine länger trockene Witterung, sonst wachsen die Pflanzen wieder an. Wer ausschließlich mechanisch bekämpft, bekommt natürlich auch keinen Ärger mit Resistenzen.
Angenommen, ich habe nach dem Einsatz eines Herbizides noch Pflanzen auf dem Acker, die da eigentlich gar nicht mehr sein sollten. Ist das dann immer eine Resistenz?
Nein, das ist ein Irrglaube, dass jede stehen gebliebene Pflanze resistent ist. Die Ursache kann auch in einer nicht optimalen Applikationstechnik liegen. Die Applikationstechnik ist der Schlüssel für den Erfolg beim chemischen Pflanzenschutz! Wir brauchen genügend Wasser, wir brauchen die richtige Düsentechnik. Wir müssen den richtigen Zeitpunkt abpassen und die optimale Witterung: Der eine Wirkstoff wirkt schon bei niedrigen Temperaturen, der andere nicht. Hier muss alles zusammengeführt werden und das erfordert fachliches Wissen. Wenn ich eine Kleinigkeit weglasse, wird das Potenzial des Wirkstoffes nicht optimal genutzt – und ich fördere damit die Resistenzbildung. Oder ich treffe die Pflanze erst gar nicht. Ob es sich um eine Resistenz handelt oder nicht, kann ich in eigenen Topfversuchen auch selbst prüfen.
Wenn eine Pflanze das Potenzial hat, mehr als 1.000 Nachkommen zu produzieren, welchen Wirkungsgrad benötige ich dann, damit ich das Problem mittelfristig in den Griff bekomme?
Wir brauchen da einen Bekämpfungserfolg – als Summe aller Maßnahmen – von über 97 %, sonst wird der Druck mit Problemgräsern größer und nicht kleiner!
Sollte man auf Problemflächen überhaupt noch Weidelgräser einsetzen?
Ich persönlich rate davon ab, dass Weidelgras angebaut wird, ohne nachfolgende Pflugbearbeitung. Wir haben in der SAATEN-UNION zurzeit Versuche laufen, um nach Alternativen zu Weidelgras Ausschau zu halten, besonders für Untersaaten in Mais. Zum Beispiel wird die Komponente Welsches Weidelgras durch Roggen und Triticale oder Grünschnittroggen ersetzt. Inzwischen führen wir zum Beitrag des Erosionsschutzes Untersaaten mit Spitzwegerich durch. Eine einheimische Pflanze mit einer schnellen Bodenabdeckung, die nachfolgend gut wieder wegzubekommen ist. Die Vorteile liegen dort in ihren Eigenschaften der Trockentoleranz und ihrem Vermögen Stickstoff zu binden. Das macht die Sache für den Anbau attraktiv.
Kann auch die Fruchtfolgegestaltung – wie beim Ackerfuchsschwanz – bei der Bekämpfung von Welschem Weidelgras helfen?
Eine weite Fruchtfolge ist oft die Lösung für so manches Problem. So kann zum Beispiel im Raps eine Gräserbehandlung mit Herbiziden aus anderen Resistenzgruppen erfolgen. Auch sorgfältige Bodenbearbeitungsmaßnahmen entspannen die Situation. Enge Getreidefruchtfolgen mit Winterungen sind da nicht sinnvoll.
Fazit
Wir haben Möglichkeiten zur Reduzierung resistenten Weidelgrases, aber die Einzelmaßnahmen müssen zusammenpassen. Fehler rächen sich, weil Bekämpfungspotenziale verschenkt werden und dann das Samenaufkommen im Boden auf zu hohem Niveau bleibt. Ziel muss eine Bekämpfung von mindestens 97 % sein, idealerweise mehr. Bei dem Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel ist das A und O eine optimierte Ausbringungstechnik. Aber jeder Betrieb muss für sich den optimalen Weg finden, Maßnahmen zu kombinieren.
Das Gespräch führten Dr. Anke Boenisch und Stephanie Makowski.
Schnell gelesen (Kurzfassung):
Die Resistenzbildung bei Welschem Weidelgras gegen herbizide Wirkstoffe breitet sich in Deutschland aus. Der Fachberater Uwe Nuß erklärt die Ursachen und erläutert mögliche Gegenmaßnahmen. Weidelgras ist mehrjährig und bildet Horste, was die Bekämpfung erschwert. Strategien wie angepasste Bodenbearbeitung und chemischer Pflanzenschutz sind entscheidend. Mechanische Bekämpfung ist eine Alternative, erfordert jedoch trockene Bedingungen. Der Erfolg liegt in der Kombination verschiedener Maßnahmen, um eine Reduzierung um mindestens 97 % zu erreichen. Es wird empfohlen, alternative Pflanzen zu Weidelgras in der Fruchtfolge zu integrieren.